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Der isländische TV-Moderator Gudmundur Benediktsson.

© Haflidi Breidfjörd/dpa

Isländischer Internetstar: „Fußball lässt mich explodieren“

Der isländische Fernsehkommentator Gudmundur Benediktsson über seinen legendären Jubel bei der EM 2016 und seinen Sohn im Nationalteam.

Gudmundur Benediktsson, es gibt schreckliche Nachrichten aus Island: Ihnen laufen die Fernsehzuschauer weg. Die Einschaltquoten für das WM-Spiel gegen Brasilien sind von 99,8 auf 99,6 Prozent im Vergleich zur Europameisterschaft zurückgegangen. Was ist los?

Wir sind auch fassungslos, aber wir rätseln noch über die Gründe.

Sie sind bei der EM 2016 weltberühmt geworden, weil sie den Siegtreffer gegen England so unglaublich fanatisch gefeiert haben. Haben Sie das Tor gegen Argentinien und den gehaltenen Elfmeter von Messi wieder genauso gefeiert?

Ich habe es mir noch nicht wieder angehört, aber natürlich habe ich gejubelt. Es ist meine Mannschaft und ich habe jede Minute des Spiels genossen.

Sind Sie immer so extrovertiert?

Im Gegenteil, einige Leute haben mich nach der Euro den „verrückten Kommentator“ genannt – nichts könnte weniger richtig sein. Aber Fußball lässt mich explodieren. Ich bejuble die Tore, weil ich Fan der isländischen Mannschaft bin. Und damals in Frankreich habe ich damit nur das ausgedrückt, was jeder Isländer gefühlt hat. Wir waren überwältigt, und das sind wir im Moment gerade wieder.

Wie ging es nach Ihrem Weltruhm mit Ihnen persönlich weiter?

Ehrlich gesagt: Es hat sich wenig geändert. Ich arbeite weiter für das isländische Fernsehen und kommentiere unsere heimische Liga, die Champions League oder die Bundesliga. Nicht mehr und nicht weniger.

2016 waren Sie auch noch Trainer.

Das bin ich im Moment nicht, aber hoffentlich nächstes Jahr wieder, wenn die Weltmeisterschaft vorbei ist. In Island ist es nur Teilzeitjob, Trainer zu sein, das passt im Moment nicht.

Ist es nicht ein gewaltiger Unterschied, ein isländisches Ligaspiel oder eine Partie von Island bei der WM zu kommentieren?

Klar, aber das gilt für alle WM-Spiele. Wir sind wirklich stolz darauf, dass unsere Mannschaft aus dem winzigen Island dabei ist.

Sind Sie für die Spieler eigentlich ein Star?

Nein. Ich kenne alle Spieler, mit einigen habe ich zusammen gespielt, einige habe ich trainiert. Gegen andere habe ich gespielt. Ich habe Mannschaften trainiert, die gegen Teams gespielt haben, die von unserem Nationaltrainer Heimir Hallgrímsson gecoacht wurden. Vielleicht werde ich auch deshalb so emotional während der Spiele.

Von unseren Fernsehkommentatoren wird eine gewisse Neutralität verlangt, haben Sie das mit internationalen Kollegen diskutiert?

Nein, aber ich weiß das natürlich. Das ist bei mir nicht anders, wenn ich die Champions League oder die Bundesliga kommentiere. Aber bei der Nationalmannschaft gibt es eben diese außergewöhnliche Nähe.

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Nicht zuletzt steht mit Albert Gudmundsson sogar Ihr Sohn im Kader.

Vielleicht werde ich der einzige Fernsehkommentator der Geschichte sein, der ein WM-Spiel seines Sohnes übertragen wird. Ich hoffe, dass er noch ein paar Einsatzminuten bekommt. Außerdem habe ich im Betreuerteam Cousins, einer der Spieler ist mein Neffe. Und mit Alfred Finnbogasson, der in Augsburg spielt, bin ich richtig gut befreundet. Denn als mein Sohn mit 16 Jahren von Island nach Heerenveen in Holland ging, war Alfred dort und hat ein wenig meine Vaterrolle übernommen.

Wann hatten Sie eigentlich erstmals das Gefühl, dass die isländische Mannschaft erfolgreich sein könnte?

Ich fange mal anders an: Mein erstes Länderspiel als Kommentator habe ich 2007 übertragen. Wir spielten in Liechtenstein und haben dort 0:3 verloren, das war der absolute Tiefpunkt. Damals hätte ich die positive Entwicklung nie erwartet. Aber dann sind die Schlüsselspieler von heute vor sieben Jahren zur U-20-Europameisterschaft gefahren und haben gut gespielt. Sie sind heute unsere Goldene Generation.

Haben Sie das Gefühl, Sie müssten jetzt so feiern, weil ein solcher Moment nicht mehr wieder kommt?

Das weiß ich nicht. Aber eins hat sich durch die letzten Erfolge verändert: Alle jungen Sportler in Island haben jetzt das Gefühl, dass alles möglich ist.

Gibt es eigentlich etwas, das andere Nationen von Island lernen können?
Ach, ich weiß nicht. Aber eins gilt ganz bestimmt: Bei uns wird das Wort Mannschaft in Großbuchstaben geschrieben. Das ist das Schlüsselwort. Wenn man hört, dass es bei einigen WM-Teilnehmern interne Probleme gibt: ganz sicher nicht bei uns. Fußball ist zu 80 Prozent Kopfsache, und unsere Spieler haben im Moment sehr gute Köpfe, wenn man so will. Wir haben vielleicht nicht die besten Spieler, aber wir haben eins der besten Teams auf der Welt.

Was denken Sie: Werden sie beim Spiel gegen Nigeria wieder jubeln können?

Die Nigerianer müssen unbedingt gewinnen, das sollte uns helfen. Wir mögen solche Situationen.

Christoph Biermann

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