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Sport: Ist das schon die Krise?

Der schlechteste Saisonstart seit 32 Jahren stürzt die Bayern in Grübeleien

Sie geben sich regelmäßig wie Vater und Sohn, manchmal spielen sie Tippkick in ihrer Freizeit, man kennt das aus der Werbung. Am späten Mittwochabend ahnte man jedoch, dass sich Uli Hoeneß und Mehmet Scholl im Grunde wesensfremd sind – so unterschiedlich, wie sie sich nach dem blamablen 0:1 ihres Klubs gegen den Tabellenletzten Hannover 96 benahmen. Scholl, der Berufsjugendliche, verließ als einer der Ersten die Kabine, ihm war keinerlei Verstimmung anzumerken, was dem grinsend entbotenen Gruß „Hey Locke“ an einen weitgehend kahlköpfigen Reporter zu entnehmen war. Hoeneß, Bayerns Leib-und-Seele-Manager, hatte den Journalisten kurz zuvor an selber Stelle „einen schönen Abend“ entgegengeknurrt, ehe er kommentarlos in die Nacht verschwand.

Nach seinem verbalen Rundumschlag am Wochenende, als er die Berichterstatter als unangemessen kritisch gegeißelt hatte, überließ Hoeneß diesmal anderen die Deutungshoheit – nach derartigen Niederlagen ein alarmierendes Zeichen. Im Grunde war es das letzte noch fehlende Indiz dafür, dass sich der Deutsche Meister geradewegs auf eine sich seit längerem andeutende Krise zubewegt – auch wenn Felix Magath davon nichts wissen wollte. „Wir haben vor der Saison gewusst, dass es ein schweres Jahr wird“, sagte der Trainer nach dem Spiel, „ich würde nicht von einer Krise sprechen“. Andere dagegen grübelten ausgiebig.

Am Tag danach fand Oliver Kahn deutliche Worte. „Das ist eine sehr prekäre, schwierige Situation“, sagte der Kapitän. „Wir verharmlosen nichts, wir haben Probleme in der Bundesliga.“ Vier Niederlagen nach nur elf Saisonspielen, eine solche Bilanz wiesen die Bayern zuletzt vor 32 Jahren aus. Der Rückstand zu Tabellenführer Bremen ist auf sechs Punkte angewachsen, gerade 16 Tore hat die Mannschaft erzielt.

Mehr noch als der Leistungsnachweis an sich irritiert die spielerische Entwicklung. Nach zuletzt durchwachsenen Auftritten stimmte gegen Hannover nahezu nichts: Das Spiel markierte nicht nur den kreativen Tiefpunkt, die Elf ließ zudem Sicherheit im Passspiel und bisweilen auch den nötigen Einsatz vermissen. „Wenn man mal ein Spiel verliert, weil nichts läuft, kann das passieren“, sagte Abwehrchef Daniel van Buyten, „aber dann muss zumindest bei jedem das Trikot durchgeschwitzt sein.“ Um mehr als nur zwei Torchancen herauszuarbeiten, müsse man „sich bewegen, Laufwege machen“.

In taktischer Hinsicht ließ sich das Spiel ebenfalls nur als Rückschritt deuten. Felix Magath räumte ein, dass „wir nicht die spielerischen Mittel hatten, den Gegner auszuspielen“. Mit dem Verzicht auf Roque Santa Cruz (der im Gegensatz zu den eingesetzten Roy Makaay und Claudio Pizarro nicht Grippe geschwächt war) rückte Magath wieder von der jüngst entwickelten Drei-Stürmer-Strategie ab. „Wir haben uns mit dieser Formation gegen defensiv eingestellte Mannschaften schon zuletzt schwergetan“, begründete Magath seine Maßnahme. Anstelle eines dritten Angreifers hatte er Ali Karimi ins offensive Mittelfeld beordert, doch der iranische Feinmotoriker wirkte bei seinem Saisondebüt von Beginn an eher wie ein Fremdkörper im Spiel der Münchner.

Wenngleich seine offizielle Wortwahl anders klang, schien der Trainer schon nach dem Spiel erkannt zu haben, dass die Situation sich langsam zuspitzt. „In so einer Phase muss die Mannschaft zusammenrücken“, sagte Magath, „da müssen wir uns gegenseitig helfen.“

Mark van Bommel richtete den Blick nach vorn: Am Samstag in Leverkusen, wenn einige der verletzten Spieler zurückkehren, „da haben wir keine Ausreden mehr. Da müssen wir drei Punkte holen, egal, ob wir Schrott- oder Zauberfußball spielen“, sagte der Mittelfeldspieler. Gut möglich, dass sich diese Einschätzung ziemlich genau mit der von Uli Hoeneß deckt.

Daniel Pontzen[München]

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