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Sagt er wirklich Tschüss? In seinem Heimatland St. Kitts und Nevis ist Kim Collins ein Nationalheld.

© Jens Wolf/dpa

Istaf Berlin: Der unkaputtbare Kim Collins

Der Weltmeister von 2003 sprintet mit 42 Jahren noch vorne mit. Beim Istaf in Berlin hat er wohl seinen letzten großen Auftritt.

Mit 42 Jahren, findet Kim Collins, ist ein guter Schluck Wein erlaubt. Collins findet sogar, dass dann auch mal eine ganze Flasche drin sein sollte. „Ich hoffe, Sie sehen mir diese Laster nach“, sagt er am Freitag. Wenige Minuten später schaufelt er ordentlich Currywurst auf seinen Teller. Collins ist gekommen, um für das Berliner Leichtathletik-Meeting Istaf die Trommel zu rühren. Am Sonntag geht es um 13.30 Uhr im Olympiastadion mit Schulstaffeln los, offizielle Eröffnung ist um 14.40 Uhr und wenn alles perfekt läuft, wird der Rotwein trinkende und Currywurst essende Collins gegen 17.30 Uhr vielleicht sogar ein Plätzchen auf dem Podest erlaufen. Danach soll Schluss sein, endgültig, sagt er.

Das muss aber nichts heißen. Von seinem Ende als Sprinter hatte er in den vergangenen Jahren immer wieder mal gesprochen. Aber kaum begann die neue Saison, tauchte der Sprinter aus dem karibischen Inselstaat St. Kitts und Nevis wieder in den Starterlisten auf. Collins ist eine Art Rolling Stones der Leichtathletik, nicht kaputtzukriegen.

Sollte er es dieses Mal aber ernst meinen mit seinem Abschied, endet eine Ära. In seinem Heimatland ist er eine Legende. Es gibt dort sogar den Kim-Collins-Tag, jedes Jahr am 25. August. Am 25. August 2003 war Collins in Paris nämlich Weltmeister über die 100 Meter geworden. Seitdem wird er von den knapp 60 000 Einwohnern von St. Kitts und Nevis vergöttert. „Ja, die Menschen dort lieben mich“, sagt Collins. Ihm fällt der Rücktritt auch deshalb so schwer, weil für seine Landsmänner nach wie vor jeder Lauf von Collins ein Ereignis ist – auch das Istaf am Sonntag, das in St. Kitts and Nevis live im TV übertragen wird.

Collins WM-Bilanz: Einmal Gold, viermal Bronze

Dabei hat Collins nun wirklich geliefert. Seit 22 Jahren sprintet er nun auf höchstem Niveau. Neben seiner Goldmedaille 2003 kamen noch vier Bronzemedaillen bei Weltmeisterschaften dazu – und unzählige Siege bei verschiedenen Meetings. Am beeindruckendsten an dem Mann ist aber sicher, wie er es schafft, in hohem Alter noch an den zehn Sekunden zu kratzen. „Es gibt kein Geheimnis“, behauptet er um dann kryptisch auszuführen, dass er zusammen mit seiner Frau, die ihn trainiert, Dinge herausgefunden habe, die viele eben falsch machten im Sprint. Auf die Frage, was das für Dinge seien, will er nicht eingehen. Ein Grund, warum Collins das Altern scheinbar aufhalten kann, ist sein ökonomischer Laufstil. Es gab und gibt kaum elegantere Sprinter als ihn. Collins ist im Vergleich mit den meisten seiner Branche ein Ästhet, geschmeidig und schmal. Er ist einer der Übriggebliebenen jener Epoche, als der formschöne Sprint noch Erfolgschancen hatte. Die Prototypen waren Carl Lewis, Frank Fredericks und eben Collins.

Dabei blieb Collins nicht von Dellen in einer langen Sportlerkarriere verschont. 2002 wurde er nach dem Sieg bei den Commonwealth Games positiv getestet, weil er vergessen hatte, sein Asthmamittel anzugeben. Seitdem hatte auch er den Stempel des Betrügers. Doch der verblasste über die Jahre, zumal es bis auf dieses eine Mal keine Auffälligkeiten mehr bei ihm gegeben hatte. Richtig laut wurde es um ihn nochmals 2012 bei Olympia in London. Collins nächtigte während der Spiele mehrmals bei seiner Frau und Trainerin im Hotelzimmer und nicht im olympischen Dorf bei den übrigen Athleten. Das Nationale Olympische Komitee des Landes entzog ihm daraufhin das Startrecht. Er sei wohl der erste Athlet, der wegen Sex mit der Ehefrau nicht starten durfte, sagte Collins zu der Episode. „Letztlich war die Geschichte einfach nur traurig.“ Doch daran will er dieser Tage nicht denken. Sein letzter Auftritt soll schön werden. Wenn es denn der letzte sein wird.

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