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Sport: Italien leidet

Volksheld Giorgio Rocca stürzt im Slalom

Ein Schrei aus 10 000 Kehlen. Menschen schlagen die Hände vors Gesicht, sie können nicht fassen, was sie auf der Leinwand im Skistadion von Sestriere sehen. Die grünweißroten Fahnen sinken in den matschigen Schnee. Seit Wochen haben die Tifosi auf diesen Tag hingefiebert, „gran giorno dello slalom“ schrieb die „Gazzetta dello Sport“. Der große Tag des Slaloms. Er dauerte 30,5 Sekunden. Dann erhoben sich die ersten Zuschauer von der Tribüne und strebten der Piazza entgegen. Sie suchten Trost bei Vino und Cappuccino.

Die Kinder mit der italienischen Trikolore auf ihren Wangen blickten ihre Eltern fragend an, viele starrten auf die Leinwand, die eine Szene wieder und wieder zeigte: Der Rennläufer mit der Startnummer eins war beim olympischen Slalom im ersten Teil der Piste gestürzt und ausgeschieden. Nicht einmal in Sichtweite der Zuschauer hatte es Giorgio Rocca geschafft, dorthin, wo ihn womöglich allein die Woge der Anfeuerung ins Ziel getragen hätte. Vorbei. Es wird kein Gold für Giorgio Rocca bei diesen Spielen geben. Dreieinhalb Stunden nach dieser Nachricht wies die Tribüne bereits Lücken auf. Viele Italiener wollten beim zweiten Lauf nicht mehr sehen, wie Benjamin Raich zu seinem zweiten Olympiasieg wedelte. Wie er mit dem Zweiten Reinfried Herbst und dem Dritten Rainer Schönfelder einen österreichischen Dreifachsieg feierte.

„Ich wusste, dass der Kurs sich auf diesem Teil verändert“, sagte Giorgio Rocca, „es war mein Fehler.“ Er blieb nicht der Einzige, der diesen Kurs nicht bezwingen konnte. 47 Fahrer scheiterten, darunter so prominente wie der Amerikaner Bode Miller, der ohne Medaille heimkehrt, oder auch die Deutschen Alois Vogl und Felix Neureuther.

Giorgio Rocca hat die Hoffnungen seiner Landsleute enttäuscht. Schwer genug lasteten sie lange vor dem gestrigen Rennen auf seinen Schultern. Fünf von sieben Slalomrennen hat der Carabiniere in dieser Saison gewonnen, allerdings nicht die letzten beiden vor den Spielen. Spürte er die Last der Erwartungen? „Das ist das Rennen meines Lebens“, sagte er. Viele Tage trainierte er verbissen auf dem Olympiahang, nach der Kombination in der vergangenen Woche verließ er Sestriere, um sich in Ruhe im Aostatal vorzubereiten. Dort ließ er einen Hang mit Wasser vereisen, um die Schneeverhältnisse von Sestriere zu imitieren. Es half nichts.

Die italienischen Reporter stürzten sich nach Roccas Ausscheiden auf die schwedische Slalomlegende Ingemar Stenmark: „Wie geht man mit Druck um, was war Ihr Erfolgsgeheimnis, ist es richtig, sich vor dem Rennen abzuschotten?“ Der schüchterne Schwede lächelte. „Ich habe mich auch immer allein vorbereitet“, sagte er, es gebe kein Erfolgsgeheimnis. Er sehe nur ein Problem. „Ich hatte mit Riesenslalom und Slalom zwei Chancen bei Olympia, Rocca hatte nur eine.“

Das weiß auch der Italiener. „Ich habe eine große Gelegenheit ausgelassen“, sagte der 30-Jährige, „jetzt kann ich es nur noch in vier Jahren versuchen.“ Dann finden die Spiele nicht in seiner Heimat statt. „Es tut mir Leid", sagte Rocca. Ob Italien seine Entschuldigung annimmt?

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