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Sport: Italien nimmt den langen Weg zum Titel

Wieder Weltmeister nach 24 Jahren: Das Team von Trainer Marcello Lippi schlägt Frankreich 6:4 nach Elfmeterschießen

Berlin – Erst war es, als wollte diese WM nie zu Ende gehen, dann fand sie für den größten Fußballspieler der letzten zehn Jahre ein fatales Finale. Es geschah um 22.13 Uhr und im Endspiel zwischen Italien und Frankreich, als Zinedine Zidane, der große Franzose, den Italiener Marco Materazzi mit einem Kopfstoß zu Boden streckte. In seinem 108. und letzten Länderspiel sah Zidane völlig zu Recht die Rote Karte. 69 000 Zuschauer im Berliner Olympiastadion stockte der Atem, sie hatten die Szene nicht gesehen und pfiffen die vermeintlichen Schauspieler aus Italien aus. Es waren unwürdige Pfiffe gegen einen würdigen Weltmeister. Die Elf von Trainer Marcello Lippi setzte sich nach einem 1:1 nach 90 Minuten und Verlängerung mit 6:4 nach Elfmeterschießen durch. Es war nach 1934, 1938 und 1982 der vierte Titel.

Was aber wird in Erinnerung bleiben von diesem Finale? Der von Fabio Grosso verwandelte Elfmeter zum entscheidenden 5:3 im Entscheidungsschießen? Der folgenschwere Fehlschuss des Franzosen David Trezeguet an die Latte? Oder vorher, in der ersten Halbzeit schon, Materazzis 1:1, mit dem er sich dafür rehabilitiert hatte, Frankreichs Führung mit einem Foul im Strafraum verursacht zu haben? Zidane hatte den Strafstoß auf unnachahmliche Weise verwandelt. Aber all das wird verblassen. Das Bild dieses WM-Finales ist der unwürdige Abschied eines der größten Fußballspieler aller Zeiten. Zinedine Zidane selbst hat das Denkmal eingerissen, das viele Fans ihm in ihren Köpfen errichtet haben.

Das Spiel? Sportlicher Alltag mit hohem Tempo von Beginn an. Schon nach fünf Minuten gab Frankreichs überragender Stürmer Thierry Henry dem Spiel eine unerwartete Richtung vor. Sein Kopfball aus der Anonymität des Mittelfeldes passte genau in den Lauf von Florent Malouda. Der nahm den Ball mit und lief noch ein paar Meter, dann touchierte ihn Materazzi, und Schiedsrichter Horacio Elizondo aus Argentinien pfiff sofort Elfmeter. Zidane lief an, wartete, bis Gianluigi Buffon in die linke Ecke sprang, dann lupfte er den Ball mit viel Spin in die rechte Ecke. Der Ball flog an die Unterkante der Latte, aber Zidane hatte ihm so viel Effet gegeben, dass er deutlich hinter die Torlinie sprang. Die Italiener monierten noch beim Schiedsrichter, doch Zidane hatte alles genau gesehen und drehte routiniert jubelnd ab. 1:0 für Frankreich, was für ein Auftakt!

Für Materazzi wäre es kurz darauf beinahe noch schlimmer geworden. Eine Flanke von Willy Sagnol traf er so unglücklich, dass er seinem Torhüter Buffon beinahe ein Eigentor ins Netz gesetzt hätte. Es wurde dann doch noch alles gut für den Verteidiger von Inter Mailand, und dafür war Andrea Pirlo verantwortlich. Keiner schießt die Ecken von der rechten Seite mit so viel Effet wie der italienische Spiellenker. In der 19. Minute lief er dafür extra über den halben Platz, um Mauro Camoranesi die Ausführung abzunehmen. Der Ball drehte sich vom Torraum weg auf den Elfmeterpunkt, wo ihn Materazzi optimal traf und mit der Stirn zum 1:1 ins Tor wuchtete.

Der Ausgleich stimulierte seine Mannschaft derart, dass die Franzosen sich schwer taten, zurück ins Spiel zu finden. Italien gab das Tempo vor, Italien war torgefährlicher. Nach schönem Kurzpassspiel lief Luca Toni auf halbrechter Position in den Strafraum, und nur mit viel Risiko und perfekter Grätsche verhinderte Lilian Thuram ein weiteres Gegentor. Bei der anschließenden Ecke, natürlich von Pirlo getreten, kam Toni zum Kopfball und hatte Pech, dass er nur die Latte traf.

Frankreich schien müde, doch nach der Halbzeitpause raffte sich die älteste Mannschaft des Turniers noch einmal zu einer kaum für möglich gehaltenen Steigerung auf. Plötzlich waren es die Franzosen, die den Rhythmus vorgaben. Allen voran Thierry Henry, der einmal nach brillantem Solo vorbei an vier Italienern Pech im Abschluss hatte und ein anderes Mal am großartigen Buffon scheiterte. Es hätte auch noch einen Elfmeter geben können. Diesmal hatte Zambrotta den flinken Malouda zu Fall gebracht, doch ein zweites Mal schien Elizondo die ultimative Bestrafung wohl zu hart.

Italien geriet in Not, und Trainer Marcello Lippi setzte ein unpopuläres Zeichen: Er nahm den offensiven Francesco Totti vom Platz und brachte den defensiven Daniele De Rossi, der nach einem brutalen Foul im Vorrundenspiel gegen die USA für vier Spiele gesperrt worden war. Im Angriff passierte nicht mehr viel, einmal abgesehen von einem Abseitstor von Toni und einem Freistoß Pirlos, der knapp am Tor vorbeistrich.

Auch in der Verlängerung machten die Franzosen den besseren Eindruck. Erst hatte Frank Ribery nach schönem Doppelpass mit Malouda das Siegtor auf dem Fuß. Kurz darauf zwang Zidane Buffon mit einem Kopfball erst zu einer grandiosen Parade, ein paar Minuten später ritt ihn der Teufel, als er Materazzi niederstreckte. Der einst beste Fußballspieler der Welt verließ die Bühne mit einem Eklat. Wie wird man ihn in Erinnerung behalten – als Virtuosen am Ball oder als Rambo?

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