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Dida

© dpa

Italienischer Fußball: Hexenschuss an der Seitenlinie

Der AC Mailand hat ein modernes Medizinlabor – und trotzdem zu viele verletzte Spieler.

Noch Anfang vergangener Woche war man im gediegenen Milanello, wo der AC Mailand nahe Varese trainiert und lebt, stolz auf das High-Tech-Labor „Milan Lab“. Ein Großteil des gegenwärtigen Erfolges des italienischen Fußball-Traditionsklubs, war von Seiten der Vereinsführung zu hören, gebühre diesem einzigartigen Ärztestab. Dass Milan durchaus medizinische Hilfe braucht, war zuletzt in der Serie A zu beobachten, dort ist der Klub zurzeit nur Tabellenfünfter. Zur Lachnummer wurde die Verletzung von Torwart Nelson Dida. Weil Dida außer Form ist, hatte ihn Trainer Carlo Ancelotti beim Ligaspiel gegen Parma (0:0) auf der Bank gelassen. Beim Aufstehen nach der ersten Halbzeit zog er sich dann einen derartigen Hexenschuss zu, dass er mit der Trage vom Platz getragen werden musste. Der 35-jährige australische Ersatztorwart Zeljko Kalac ist derweil ebenfalls verletzt. Wenn er nicht rechtzeitig fit wird, muss der dritte Torwart Valerio Fiori das Tor gegen den FC Arsenal hüten.

Beim englischen Gegner steht noch nicht fest, wer heute beim Achtelfinalhinspiel der Champions League (20.45 Uhr, live bei Premiere) im Tor steht: Jens Lehmanns Chancen auf einen Einsatz sind aber gut, der spanische Rivale des deutschen Nationaltorhüters, Manuel Almunia, leidet noch an den Folgen einer Virusinfektion. Trainer Arsene Wenger will sich kurz vor dem Spiel entscheiden.

Eine Virusinfektion – das wäre in Mailand ein kleines Problem. Das klubeigene Medizinzentrum beschäftigt sich mit härteren Fällen: Das „Milan Lab“ hat zwar momentan mit vielen verletzten Torhütern zu tun, an sich ist es aber ein Labor, in dem junge Spieler aufgepeppelt werden. Jüngstes Beispiel ist der 18-jährige Brasilianer Alexandro Pato, den der AC Mailand für 22 Millionen Euro verpflichtet hat. Von vielen zunächst argwöhnisch beäugt, wird Pato jetzt als großer Stürmerstar gefeiert, der Milans Verletzungsmisere gekonnt überspielt. Durch seine revolutionären Analyse- und Trainingsmethoden sei das Labor im Fußball bahnbrechend, hieß es. Für alternde Spieler sei es zudem „wie ein Jungbrunnen“, prahlte etwa Vizevereinspräsident Adriano Galliani.

Der Geschäftsführer und Marketingverantwortliche des Klubs erzählte auch davon, wer 2002 die geniale Idee mit dem Labor gehabt habe. Es sei ein Einfall von Jean Pierre Meerseman gewesen, der zwar aus Flamen stamme, aber als Chiropraktiker seit geraumer Zeit auch in Italien eine gefragte Adresse sei. Dann habe sich auch der Psychologe Bruno De Michelis zum Team gesellt. Daniele Tognaccini, der für die Auswertung der Testdaten verantwortlich zeichnet, sprach dann davon, wie „Milan Lab“ gewissermaßen die Verletzungen vorhersage. „Die Verletzungsanfälligkeit der Spieler können wir um rund 50 Prozent senken”, sagt Tognaccini. Als Beispiel für die Effizienz des Labors wurde unlängst der beinahe 40-jährige Paolo Maldini präsentiert, der am vergangenen Sonntag die einsame Rekordmarke von 1000 Profi-Einsätzen erreichte. Und das in 23 Profi-Jahren.

Pierpaolo Taliento, Marketingchef vom neuen Sponsor Microsoft Italia, ist davon überzeugt, dass die neue Allianz zwischen dem Klub aus Mailand und dem Softwareentwickler neue Kräfte mobilisieren wird. „Wir werden unser Know-How einsetzen, damit die Informationen über Spieler von Milan korrekt ausgewertet werden können“, so Taliento. Es gehe um die Verarbeitung von über zwei Millionen Daten. Die Spieler unterziehen sich nämlich vierzehntägigen Tests, die sowohl ihre physische als auch ihre psychische Verfassung messen.

Das hört sich alles revolutionär an – doch kaum hatte der neue Sponsor über seine neuen Methoden referiert, da verwandelte sich der Kader des Erstligisten in ein wahres Lazarett. Zunächst erwischte es Superstar Ronaldo. Der 31-jährige Brasilianer verletzte sich so schwer, dass ihm das Karriereende droht. Dabei war gerade seine Verpflichtung als ein Sieg des Labors über die Verletzungsanfälligkeit gefeiert worden. Zudem verletzte sich Ersatztorwart Zeljko Kalac und nun leidet der eigentliche Stammtorwart Dida noch an den Folgen des Hexenschusses.

Immerhin, optimistisch sind sie in Mailand für das Heimspiel gegen Arsenal trotzdem: Maldini sagt vor seinem 1001. Spiel als Profi: „Wir sind die Titelverteidiger, die Atmosphäre wird sicher fantastisch sein.“ Also zähle nur ein Sieg.

Vincenzo Delle Donne

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