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Sport: Jammern zum Jubiläum

Der verschuldete Deutsche Tennis Bund feiert 83 Jahre ohne und 17 Jahre mit Boris Becker

Berlin. Es war das Kommando zum Massensprint im Saal Charlottenburg. „Wir beenden die Pressekonferenz“, hatte der Sprecher des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) gesagt, was Fotografen und Kamerateams veranlasste, gleichzeitig zum Podium zu stürzen. Alle, alle wollten sie Boris Becker, den „17-jährigsten Leimener“, wie die „Zeit“ schrieb, vor das Objektiv bekommen. Auf dem Fußballplatz hätten die Medienvertreter die Gelbe Karte gesehen – wegen Rudelbildung. Was sie nicht daran hinderte, Becker auch während der Feier mit Blitzlichtern und Scheinwerfern auszuleuchten. Mehr Licht für eine Lichtgestalt. Fast hätte man geglaubt, Boris Becker feierte gestern im Hotel Intercontinental in Berlin seinen Geburtstag.

Es war aber der Deutsche Tennis Bund, der mit einem Festakt sein 100-jähriges Bestehen zelebrierte. Gelegenheit, einen Irrtum aufzuklären. Der Verband wurde eben nicht am 7. Juli 1985 gegründet, als Boris Becker auf dem Center Court von Wimbledon den Südafrikaner Kevin Curren bezwang. Es war vielmehr der 14. Mai 1902, als sich acht Herren in Berlin trafen, um den Deutschen Lawn Tennis Bund ins Leben zu rufen. Der 1920 umbenannte Verband ist mit inzwischen fast zwei Millionen Mitgliedern der größte nationale Tennisverband der Welt. Manchmal aber scheint es, als gäbe es in Deutschland nur einen Tennisspieler.

Doch die Fixierung auf Boris Becker bei der DTB-Feier machte Sinn. Der dreimalige Wimbledonsieger verkörpert die Vergangenheit des deutschen Tennis. Und auch die schwierige Zukunft ist aufs Engste mit dem 34-Jährigen verbunden. Für 1,5 Millionen Euro sicherte sich Beckers Agentur BCI gemeinsam mit der ACE-Group um den Großbäcker Heiner Kamps die Vermarktungsrechte des Hamburger Herrenturniers am Rothenbaum. DTB-Präsident Georg von Waldenfels sagt: „Wir hoffen, dass sich der Kontakt zu Boris Becker segensreich auswirken wird.“ Vom Erfolg des Herren Becker hängt womöglich die Zukunft des DTB ab.

Den Verband plagen riesige finanzielle Probleme. Elf Millionen Euro Schulden sollen die verbandseigene Holding, die sich den Aufgaben im Profitennis widmet, und der Verband haben. „Wir sind wirtschaftlich in einer schwierigen Zeit“, klagte von Waldenfels in seiner Begrüßungsrede. Schuld an der Misere trage die Insolvenz des Sportvermarkters ISL im Jahr 2000. Die ISL hatte dem Verband bis 2007 aus heutiger Sicht unglaubliche Summen zugesichert. Der Verband rechnete mit diesem Geld. „Kein mittelständisches Unternehmen kann verkraften, wenn pro Jahr zehn Millionen Dollar wegfallen“, sagte von Waldenfels, der sich heute zur Wiederwahl stellt, in seiner Festrede.

Doch der Verband ist auch selber schuld. In den fetten Jahren zwischen 1985 und 2000 wurden Millionen verschwendet. Für 55 Millionen Mark baute der DTB die Tennisanlage am Hamburger Rothenbaum aus, die bisher nur einmal pro Jahr, für das Turnier, genutzt wurde. Die 18 Landesverbände kassierten ebenfalls kräftig. Nun sollen sie Geld zurückzahlen.

Die Not ist groß. Die DTB-Holding soll vor der Insolvenz stehen. Um Geld zu bekommen, wurde das Frauenturnier vom Rothenbaum verscherbelt. Auch die Masters-Turniere Hamburg und Berlin stehen auf der Kippe. „Priorität hat, dass wir die beiden Sportveranstaltungen halten können“, sagt der Präsident. Wichtig hierfür wäre ein neuer Fernsehvertrag mit der ARD. Die Verhandlungen gestalten sich schwierig.

Die Prominenz von Becker, der als Chairman am Rothenbaum fungiert, soll helfen. Dabei hat sich der DTB, wie die „Stuttgarter Zeitung“ berichtet, in dem Vertrag mit Becker womöglich übervorteilen lassen. Das finanzielle Risiko sei für den DTB höher als für BCI. Sollte BCI von Sponsoren mehr als die zugesicherten 1,5 Millionen erwirtschaften, erhält der DTB von den Mehreinnahmen bis zu einem Betrag von 2,1 Millionen Euro nichts. Schon beim Festakt sparte der Verband. Sekt und Orangensaft boten Servicekräfte an. Sogar auf die Frage nach einer Cola antwortet die Kellnerin: „Gibt es nicht.“

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