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Sport: „Jan Ullrich tut mir leid“

Rekordsieger Lance Armstrong über Doping und eine Tour de France ohne Stars

Lance Armstrong, 35, gewann von 1999 bis 2005 die Tour de France siebenmal in Folge. Der Texaner ist Rekordsieger der Frankreich-Rundfahrt. Armstrongs Erfolge wurden oft von Dopinggerüchten begleitet, doch dem US-Amerikaner konnte nie offiziell Doping nachgewiesen werden. Zurzeit ist Armstrong, der seine Karriere vor einem Jahr beendet hat, als Beobachter bei der Tour. Zu einem Sechstel ist er an seinem ehemaligen Team Discovery beteiligt.

Herr Armstrong, Ihre erwarteten Nachfolger auf den Tour-Sieg, Jan Ullrich und Ivan Basso, wurden einen Tag vor dem Start wegen angeblicher Verwicklung in den spanischen Dopingskandal nach Hause geschickt. Wie stehen Sie dazu?

Das ist eine schlimme Sache für den Radsport. Der Ausschluss hat mich wirklich überrascht. Ich habe den zum Jahresende ausscheidenden Tour-Direktor Jean-Marie Leblanc an jenem Freitag angerufen. Auch er war überrascht. Ich habe ihm Kraft und Glück gewünscht, denn so eine Krise wünscht man keinem. Das, was in Spanien passierte, ist bei uns nicht passiert. Wir müssen den Kampf gegen Doping weiterführen. Jeder Fahrer sollte 365 Tage im Jahr rund um die Uhr für unangemeldete Kontrollen bereit sein. Alle, die den Radsport lieben, müssen gerade jetzt hinter dem Radsport stehen.

Ihre Karriere wurde allerdings auch von Dopingvorwürfen begleitet. Wie stehen Sie dazu?

(Armstrong winkt ab und schweigt.)

Was würden Sie Jan Ullrich raten – auch aus eigener Erfahrung?

Ich kenne die Einzelheiten dieses Falls nicht. Alles schwebt in einer Grauzone. Es ist logisch, Ullrich zu einer DNA-Analyse zu raten. Das ist der beste Weg, um seinen Namen rein zu waschen. Jan tut mir leid. Ich mag ihn wirklich. Ich bin sicher, er hätte diese Tour gewonnen.

Haben Sie Kontakt zu Jan Ullrich oder Ivan Basso?

Nein, zu keinem von beiden.

Was ist diese Tour ohne die ersten fünf des vergangenen Jahres noch wert?

Es ist natürlich eine ganz andere Tour. Aber es ist ein großer Wettkampf, in dem jeder den anderen schlagen will. Mit all den Dramen. L’Alpe d’Huez war spannend und dramatisch wie in all den anderen Jahren zuvor. Das ändert nichts an der Person, die die Tour gewinnt. Dem Sieger sollte man volle Anerkennung zollen, ohne zu sagen: Ja, aber der eine ist zurückgetreten, und die anderen durften nicht starten. Der Sieger hat alle geschlagen, die hier angetreten sind.

Lange sah Ihr ehemaliger Helfer Floyd Landis wie der Favorit der Tour aus.

Floyd hatte eine hervorragende Saison. Für mich war er immer der Favorit. Er ist zäh, stark, vor allem mental sehr fokussiert auf den Tour-Sieg.

Nun aber ist Andreas Klöden in einer besseren Position als Floyd Landis. Wie schätzen Sie Andreas Klöden im Vergleich zu Landis ein?

Andreas ist ein großes Talent, er kann gut bei den Anstiegen beschleunigen, ist auch gut im Zeitfahren, aber wahrscheinlich ist er da nicht so stark wie Floyd. Allerdings hat Klöden ein besseres Team hinter sich als Landis.

Die Franzosen sind wegen Ihrer abfälligen Äußerungen über die Fußballspieler beleidigt. Sie haben sie in einer Fernsehsendung „Arschlöcher“ genannt.

Es ist traurig, dass das als Beleidigung interpretiert wurde. Das war Comedy. Mit den Menschen in Frankreich habe ich keine Probleme. Wo immer ich Franzosen treffe, auf der Straße, in Geschäften, in Restaurants, begegne ich großartigen Menschen. Mein Verhältnis zur Sportzeitung „L’Equipe“ und den Organisatoren, das ist ein und dieselbe Firma, ist eine andere Geschichte. Tour-Direktor Leblanc lebt nicht mehr in der Realität. Er war so glücklich, als das Armstrong-Regime beendet war, und wollte neue Gesichter sehen. Und nun, wo sind sie? Ich habe mit der Tour-Organisation nichts mehr zu tun.

Wie fühlt es sich eigentlich an, bei der Tour als Privatmann dabei zu sein?

Ich bin glücklich, dass ich hier bin. Die Tour de France ist nun mal ein großartiges Ereignis. Ich schätze das Rennen, die Athleten und deren Anstrengungen. Aber ich vermisse es nicht, selbst mitzufahren. Man kann nicht ewig Radrennen fahren.

Wie verbringt denn ein Tour-Rekordsieger seine Zeit nach der Karriere?

Ich reise viel, bin dauernd beschäftigt, halte mich mit Radfahren, Laufen und Schwimmen fit. Im November will ich beim New-York-Marathon starten.

Die Fragen stellte Hartmut Scherzer.

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