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Sport: Jens Lehmann bleibt drin

Der Torwart hat sich Respekt bei Arsenal erarbeitet und führt den Klub ins Champions-League-Halbfinale

Verteidigung ist der beste Angriff. So kennt man das im Stadio delle Alpi. Aber doch nicht von der Auswärtsmannschaft. Der FC Arsenal verteidigte sich im Rückspiel bei den Defensivkünstlern von Juventus Turin kühl und clever zu einem 0:0 und zog nach dem 2:0 im Hinspiel ins Halbfinale der Champions League ein. „Verblüffend“ fand selbst Trainer Arsène Wenger, dass ausgerechnet seine unerfahrene Nachwuchsabwehr zum achten Mal in Folge in der Champions League ohne Gegentreffer geblieben war. Das ist bisher noch niemandem gelungen. „Unsere Viererkette profitiert davon, dass sie von zwei erfahrenen Leuten geführt wird“, sagte Wenger und nannte auch Namen: „Gilberto Silva und Jens Lehmann.“

Während sich der Brasilianer im Mittelfeld wegen seiner ruhigen, unauffälligen Spielweise den Spitznamen die „unsichtbare Mauer“ erworben hat, fiel der deutsche Nationaltorwart wieder durch seine lautstarke Organisation der Hintermannschaft auf. Zwar war Lehmann diesmal nicht als Quasi-Libero gefragt, weil Arsenal gegen die favorisierten Italiener etwas tiefer stand als sonst. Doch seine Arbeit im Strafraum strahlte so viel Souveränität aus, dass man nie das Gefühl hatte, dass die Londoner ihren Vorsprung aus dem Hinspiel noch einmal abgeben würden. Nicht der Hauch von Nervosität sprach aus der im Schnitt nur 22,5 Jahre alten Verteidigung, die Juves erfahrene Stürmer Mal um Mal ins Abseits laufen ließ. Zwei gefährliche Bälle musste Jens Lehmann halten: Einen abgefälschten Schuss von Zlatan Ibrahimovic pflückte er sicher aus der Luft, einen scharf geschossenen Halbvolley von Nedved faustete er weg.

Nur einmal musste der 36-Jährige aus seinem Kasten – um von Schiedsrichter Herbert Fandel energisch einen Platzverweis für Pavel Nedved zu fordern. Der Tscheche hatte Emmanuel Eboué zweimal aus purem Frust umgetreten und sah dafür Gelb-Rot. Nach dieser Szene war das Spiel gelaufen, auch für Lehmann. Er bekam nichts mehr zu tun. „Vor zwei Monaten hat man noch über uns gelacht“, sagte Wenger, „jetzt erwartet man in England den Titel von uns. Unsere junge Mannschaft wird besser und besser.“

Seinen Anteil daran hat auch Jens Lehmann, der nicht nur intern in den vergangenen Monaten enorm an Ansehen gewonnen hat. „Die deutsche Mauer stand solide“, lobte ihn die „Daily Mail“, der „Observer“ hat ihn für die Wahl zu Englands Fußballer des Jahres vorgeschlagen. Lehmann ist im dritten Jahr in England zu einer echten Stütze der Mannschaft geworden und wird dies auch nächste Saison sein. Dass Arsenal nur für ein Jahr verlängert hat, ist kein Beweis für mangelndes Vertrauen, sondern die übliche Vereinspolitik. Spieler über 32 bekommen immer nur Einjahresverträge.

An das unüberwindbare 1:0-Arsenal der frühen Neunziger unter George Graham fühlte sich die „Times“ unweigerlich erinnert. Mit dem Unterschied, dass Wengers Version in jedem Konter ihr sensationelles Passspiel zeigte. Stürmer Thierry Henry, im Moment in der Form seines Lebens, beschäftigte wie im Hinspiel vier Turiner ganz allein.

In der Stunde ihres Glücks ließen es sich die 4000 mitgereisten Arsenal-Fans übrigens nicht nehmen, einen letzten Gruß an ihren ehemaligen Helden Patrick Vieira zu schicken. Der langjährige Kapitän war im Sommer nach Turin gewechselt, um endlich einmal die Champions League zu gewinnen. Ein Fehler. „Vieira, ohoo, Vieira, oho ohoo“, sangen die Engländer, „he plays in black and white, his team is fucking shite.“ Das klang gar nicht hämisch. Eher bemitleidend.

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