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Sport: Jetzt geht’s ans Kleingedruckte

Nach seinem Wechsel zu T-Mobile versucht Jan Ullrich, seinen Freund und Förderer Rudy Pevenage durchzudrücken

Frankfurt (Main). Jan Ullrich fliegt am Dienstag nach Kasachstan. In Astana tritt der deutsche Radstar für einen guten Zweck in die Pedale, für den Fonds des im Frühjahr zu Tode gestürzten Kasachen Sergej Kiwilew. Organisator ist Alexander Winokurow. Beim Wiedersehen können sich der Tour-Zweite und der Tour-Dritte darüber unterhalten, wie sie bei der Tour de France 2004 den fünfmaligen Sieger Lance Armstrong gemeinsam in die Zange nehmen. Denn die beiden Freunde sind künftig auch wieder Kameraden in einem Team. Jan Ullrich hat sich am Samstag entschieden: „Ich gehe zu T-Mobile.“

Nach wochenlangem Hin und Her ist die Rückkehr des 29-jährigen Wahlschweizers ein Jahr nach der Trennung im Groll von Telekom nun also perfekt. „Planungssicherheit und ausschließlich die sportlichen Rahmenbedingungen“, beteuert Ullrich, hätten den Ausschlag gegeben, sich nach genauer Prüfung von fünf Angeboten von Bianchi zu trennen und für T-Mobile zu entscheiden, für die Mobilfunktochter der Telekom, die ab 1. Januar 2004 bis Ende 2006 die Sponsorschaft des Radteams von der Bonner Konzernmutter übernimmt. „Es war eine schwere Geburt.“ Nirgendwo sonst hätte er eine so starke Mannschaft angetroffen.

Von einem längerfristigen Vertrag ist offiziell die Rede, doch inoffiziell ist bekannt, dass Ullrich für die Dauer von drei Jahren im Rennsattel mindestens 2,5 Millionen Euro pro Saison erhält. Eine Option sichert ihm darüber hinaus nach dem Ende seiner Karriere für zehn Jahre den Job eines Repräsentanten im Bonner Konzern. Ullrich bringt auch sein persönliches Umfeld mit: seine Radkumpels Tobias Steinhauser und André Korff, seinen Bruder Stefan als Mechaniker und seine Physiotherapeutin Birgit Krohme.

Da fehlt doch einer? Rudy Pevenage. Für den Ullrich-Intimus ist wegen dessen Feindschaft mit dem Team-Besitzer Walter Godefroot („Mit Pevenage arbeite ich nie mehr zusammen“) in offizieller Funktion bei T-Mobile kein Platz. Jan Ullrich, Pevenage nicht nur freundschaftlich eng verbunden, sondern dem 49-jährigen Belgier auch moralisch verpflichtet, hat seinem treuen Begleiter einen Vertrag als „persönlicher Berater“ angeboten. Schließlich ist Pevenage seinetwegen bei Godefroot in Ungnade gefallen, als er auf Bitten Ullrichs über Nacht Telekom verließ, seinem Schützling zu Coast – und ins Chaos folgte. Der umtriebige Flame rettete nach der Pleite der Essener Sportgruppe mit Hilfe Bianchis die Ullrich-Mannschaft für die dann so erfolgreiche Tour. Ist Rudy Pevenage der große Verlierer der schon auf den Champs Elysees am 27. Juli geplanten Bonner Rückholaktion? Noch am Samstagvormittag war Pevenage in Ullrichs Haus in Scherzingen am Bodensee, um den Radstar und dessen Manager Wolfgang Strohband vielleicht doch noch umzustimmen. „Aber ich konnte Jan nicht überzeugen, sich einer italienischen Fusion Saeco/Bianchi anzuschließen.“ Einen Sponsor zur von Ullrich geforderten Verstärkung der Bianchi-Mannschaft aber konnte Pevenage nicht präsentieren. „Ich habe mit meiner Absage bis zum letzten Moment gewartet, um Bianchi-Chef Tony Grimaldi und Team-Manager Jacques Hanegraaf die Chance zu geben, ein konkurrenzfähiges Team aufstellen zu können“, rechtfertigt Ullrich seine Entscheidung. Nach den Erfahrungen des Frühjahrs wollte der Bianchi-Kapitän „das kleinste Risiko ausschließen“. Pevenage akzeptiert die Entscheidung. „Ich respektiere Jans Wahl. Es ist seine Karriere, nicht meine.“

Ob er das Angebot als Ullrichs Privat-Berater annimmt, weiß Pevenage nicht. „Meine Zukunft und die des Bianchi-Teams stehen in den Sternen.“ In einer Woche, nach der Rückkehr Ullrichs aus Kasachstan, wollen sich die beiden wieder treffen. Nun ist Pevenage schlitzohrig genug, um zu wissen: Rollt die Saison erst einmal, wird Jan Ullrich schnell merken, dass ihm sein Vertrauensmann nicht im Hotel, sondern nur als Sportlicher Leiter im offiziellen Begleitwagen von Nutzen sein kann.

Wenn es um den Tour-Sieg geht, wird „das gemeinsame Ziel, das uns verbindet“, so die Parole von T-Mobile-Chef Rene Obermann, kaum an der Unversöhnlichkeit Godefroots scheitern. „Es würde dann an Jan liegen“, bemerkte Pevenage, „mich mit einem Machtwort in offizieller Funktion durchzusetzen." Jan Ullrich jedenfalls bekennt sich zu seinem Wegbegleiter: „Rudy Pevenage hat auch in den Monaten zu mir gehalten, als niemand mehr an mich glaubte. Ich hoffe, dass er mein Angebot annimmt.“

Hartmut Scherzer

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