zum Hauptinhalt

Sport: Jetzt mal nüchtern

Mit Holland und Brasilien treffen im Viertelfinale die neuen Pragmatiker des Weltfußballs aufeinander

Es lag wohl am milden Klima von Durban, dass Frank de Boer sein weißes Hemd ganz weit aufgeknöpft hatte. Der niederländische Assistenzcoach sieht dieser Tage so aus, als würde er jede freie Minute am Indischen Ozean zum Sonnenbad nutzen. Auch Chefcoach Bert van Marwijk hat sich im südafrikanischen Winter eine gesunde Gesichtsfarbe zugelegt, weshalb es sehr passend war, dass beide nach der Pflichterfüllung im Achtelfinale gegen die Slowakei (2:1) mit Philipp Cocu gleich den nächsten Beau heranwinkten – van Marwijks zweiten prominenten Mitarbeiter.

Worum es in dem Männerplausch ging? „Sie haben mir gesagt, dass es nun ein bisschen schwieriger wird“, erzählte van Marwijk später und grinste sich einen. Das war natürlich eher Spaß. Aber bitterer Ernst bleibt, dass die erste echte Bewährungsprobe für die Niederlande tatsächlich erst ansteht, denn im Viertelfinale wartet nun Brasilien. Und wer könnte darüber mehr erzählen als van Marwijks zwei charmante Flüsterer? Jenem Philipp Cocu und Frank de Boers Zwillingsbruder Ronald werden bis heute die verschossenen Elfmeter aus dem WM-Halbfinale 1998 gegen Brasilien vorgehalten. Dazu kommt ein glückloses WM-Viertelfinale 1994 gegen die Brasilianer (2:3). Also ergibt sich Gelegenheit, gleich mehrere Traumata aufzuarbeiten.

Gelingen soll das mit jenem neuen Spielstil, der unaufgeregte Siege in Serie einbringt. „Wir sind in Südafrika, um den großen Preis zu gewinnen“, sagt van Marwijk. Und nicht mehr, um schön zu spielen. Mark van Bommel predigt seit Wochen Ähnliches: „Unser Fußball braucht nicht besser zu werden, wenn wir immer gewinnen. Erste Priorität hat das Resultat.“ Die Effizienz thront bei den Niederlanden auf einmal über allem, und auch Bundesliga-Profis äußern sich positiv. Der Stuttgarter Khalid Boulahrouz bittet Anhängerschaft um Verständnis: „Holland hat eine andere Fußball-Kultur, es tut mir leid für unsere Fans, aber sie müssen auch merken, dass hier keine Mannschaft nur offensiv spielt – auch Brasilien nicht.“ Die Brasilianer zeigten trotz ihres 3:0-Sieges über Chile ebenfalls nicht viel Zauberhaftes.

Es scheint also ganz so, als prallten am Freitag mit den Niederlanden und Brasilien die neuen Pragmatiker des Weltfußballs aufeinander, wobei van Marwijk für sein Ensemble vorsichtshalber die Rolle des Außenseiters reklamiert. Gegen den fünffachen Weltmeister wird schnöder Zweckfußball nicht reichen; gerade weil die bei Inter Mailand angestellten Lucio, Maicon und Julio Cesar im Champions-League-Finale kürzlich bewiesen haben, dass sie sogar einem Arjen Robben den Spaß gänzlich verderben können. Gegen Brasilien „werden wir unser Bestes auspacken“, sagt Robben. „Ich habe keine Lust, wie bei der WM 2006 oder EM 2008 wieder früh aus einem Turnier zu gehen.“

Der auch als Endspielpaarung geeignete Showdown findet übrigens auch wieder am Indischen Ozean statt, in Port Elizabeth. Es könnte dann für die niederländische Delegation wieder einige Gründe geben, die Hemden aufzuknöpfen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false