zum Hauptinhalt
Beim Testspiel gegen Chile präsentierten sich die Deutschen matt, geradezu hilflos.

© Imago Sportfotodienst

Joachim Löw muss handeln: WM-Testspiel gegen Chile war ein Weckruf

Joachim Löw hat getobt, gejammert und geflucht - nun muss er handeln, meint Stefan Hermanns. Im Vergleich zu den Chilenen wirkten die Deutschen im WM-Testspiel matt und hilflos. Eine Analyse

Joachim Löw hörte sich an, als hätte er von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch beim Straßenkarneval durchgefeiert. Von seiner Stimme war nur ein Krächzen geblieben. Und auch sonst muss sich der Bundestrainer ziemlich müde gefühlt haben. Er hatte getobt, geflucht, gejammert. Löw gab das Bild eines Leidenden ab. Dabei hätte der Abend für ihn kaum besser laufen können. „Das war genau der Gegner, den wir jetzt gebraucht haben“, sagte Joachim Löw nach dem 1:0 gegen Chile. Dieses Spiel dürfte seine Wirkung in der Tat nicht verfehlt haben – weder nach innen, noch nach außen.

36 Semester warten auf den Titell

Beim geneigten Publikum hat sich inzwischen eine Haltung breit gemacht, die dem Bundestrainer gar nicht gefällt: dass mit diesen hoch veranlagten Fußballern gar nichts anderes möglich sei als der Gewinn der Weltmeisterschaft. Nach 36 Wartesemestern glaubt das Volk, eine Art Rechtsanspruch auf den Titel erworben zu haben.
Löw hält solche Vorstellungen nicht nur für überzogen, sondern auch für unanständig – weil sich darin eine Geringschätzung für die Konkurrenz äußert. Märchenerzähler nennt Löw die Leute, die den WM-Titel für unausweichlich halten. In Wirklichkeit ist es so, dass andere Länder auch schöne Fußballer haben. Selbst Länder, die in Deutschland fußballerisch nicht für voll genommen werden wie Chile, Uruguay oder Kolumbien.
Zwei Tage vor dem Spiel gegen Chile hat Löw seiner Mannschaft mit Blick auf die Weltmeisterschaft in Brasilien mitgeteilt, dass es nicht reiche, auf dem Papier eine starke Mannschaft zu haben. Am Mittwochabend war zu sehen, was das in der Praxis bedeutet.

Chilenen waren nur der Vorgeschmack

Die Vorstellung der Chilenen war ein erster Vorgeschmack auf die Urgewalt, mit der sich die Nationalmannschaft in Brasilien konfrontiert sehen wird. Im direkten Vergleich mit den Südamerikanern wirkten die Deutschen seltsam matt, geradezu hilflos. Doch gerade deshalb glaubt Joachim Löw, „dass die Spieler erkennen: Okay, ich muss noch ein bisschen drauflegen“. Ein schlechtes Spiel sagt mehr als tausend schöne Worte.

Der Arbeitsmoral der Nationalspieler kann die erschreckende Hilflosigkeit gegen die Chilenen nur dienlich sein; nachhaltige Schäden an Leib und Seele sind zudem nicht zu erwarten. In der Vergangenheit hat es im Anlauf zu den Turnieren schon weit frustrierendere Erlebnisse und Ergebnisse gegeben. Vor der Weltmeisterschaft 2006 verloren die Deutschen 1:4 gegen Italien, vier Jahre später 0:1 gegen Argentinien, und vor der Europameisterschaft 2012 leisteten sie sich ein 3:5 gegen die Schweiz. Auch wenn es sich anders anfühlte: Gegen Chile hatten die Deutschen immerhin gewonnen. „Mental ist es gut, dass wir sie geschlagen haben“, sagte Per Mertesacker. Dass die Nationalmannschaft Spiele gewinnt, in denen sie deutlich unterlegen war, ist in jüngerer Vergangenheit tatsächlich nicht besonders oft vorgekommen. Diese Fähigkeit könnte sich bei der WM noch als nützlich erweisen.

Alle Infos zur WM 2014 in Brasilien finden Sie auch auf unserer Themenseite

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false