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Glückwunsch zur Beförderung. Jochen Schneider (l.) soll Schalke als Sportvorstand wieder nach oben führen.

© dpa

Jochen Schneider: Schalke hat ein Problem

Der FC Schalke 04 stellt mit Jochen Schneider einen Mann vor, der bisher kaum auffiel. Die Verpflichtung wirkt getrieben. Ein Kommentar.

Von David Joram

Über Jochen Schneiders Vergangenheit ist nun einiges bekannt geworden, was zuvor zwar schon bekannt war, aber keinen interessierte. Kaderplaner beim VfB Stuttgart, Team-Koordinator bei RB Leipzig, Wettkönig im Jahr 1987 bei „Wetten dass...?“. Es sind runde Eckdaten, die Schalkes Vorsitzender Clemens Tönnies mit dem Hinweis ergänzte, dass Schneider über ein „erstklassiges Netzwerk“ verfüge. Fleißig und ehrgeizig soll der 48-Jährige zudem sein.

Bei so viel Lobhudelei, die vermutlich sogar berechtigt ist, stellen sich aber auch Fragen. Zum einen: Warum hat sich dieser Mann solange in der zweiten Reihe versteckt? Und zum anderen: Warum schickt ihn nun ausgerechnet der FC Schalke 04 in die erste?

Beim VfB gab Schneider vorzeitig auf

Die Antwort auf die erste Frage ergibt sich aus Schneiders Vita, sie besagt, dass der Mann schon mal im Rampenlicht stand. Im September 2014 beförderte ihn der (auch damals im Abstiegskampf steckende) VfB Stuttgart zum Sportdirektor. Schneider folgte Fredi Bobic nach, bekam aber schon im Januar 2015 mit Robin Dutt einen Sportvorstand vor die Nase gesetzt. Die Zusammenarbeit beim VfB, wo sich Schneider eigentlich als Manager profilieren wollte, endete bereits zwei Monate später mit Schneiders Rücktritt.

Schändlich ist das nicht. Dass der an Ruhm reiche Bundesliga-Standort Stuttgart Energie raubt, musste zuletzt auch Ex-VfB-Sportvorstand Michael Reschke feststellen, der dem Vernehmen nach ebenfalls über erstklassige Netzwerke, Fleiß und Ehrgeiz verfügen soll. Auch Reschke galt als Mann der zweiten Reihe - und scheiterte letztlich am VfB.

Damit beginnt die Antwort auf Frage zwei - warum Schalke auf Schneider setzt - schon. Reschke, der angeblich ebenfalls auf der königsblauen Liste stand, wäre zum jetzigen Zeitpunkt kaum vermittelbar gewesen. Die Entscheidung musste aber zeitnah fallen. Zu groß wäre die Unruhe auf Schalke geworden, was man vermutlich Clemens Tönnies angelastet hätte.

Der delegiert den Druck nun, indem er die Macht teilt und mit der überraschenden Verpflichtung Schneiders einen Neuanfang begründen kann. Das wirkt etwas getrieben, ist aber nachvollziehbar. Unter dem neuen Sportvorstand soll zudem ein Sportdirektor installiert werden, als Favorit wird Jonas Boldt gehandelt. Der gilt ebenfalls als Zweite-Reihe-Mann und soll in Leverkusen prächtig funktioniert haben. Dank erstklassiger Netzwerke, Fleiß und Ehrgeiz, versteht sich.

Weil Schalke aber knapp 160.000 Mitglieder hat und eben Schalke ist, muss das Duo neue Kompetenzen erwerben. Ausstrahlung, Charme, und vermutlich mehr Widerstandskraft, als es in Leipzig (rund 17 Mitglieder) oder Leverkusen (0) nötig war. Eigenschaften, die der Machertyp Heidel durchaus vorzuweisen hatte - und trotzdem aufgab. Die Anforderungen bei S04 scheinen spezieller.

Eine Garantie, ob die Personal- und Systemänderung den Schalker Betrieb wieder wettbewerbsfähiger macht, gibt es deshalb auch diesmal nicht. Selbst die besten Netzwerker müssen sich mit viel Fleiß und Ehrgeiz erst dem Problem Schalke widmen - oder sie werden selbst schnell Teil des Problems.

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