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Sport: Johnny und die elf Scheißkerle (Glosse)

John Toshack ist Brite, und John Toshack ist Trainer. Fußball-Trainer.

John Toshack ist Brite, und John Toshack ist Trainer. Fußball-Trainer. Bis vor drei Tagen beim berühmtesten Klub der Welt - Real Madrid. Dort tragen sie weiße Trikots, weiße Hosen, weiße Stutzen und nach dem Spiel weiße Hemden. Mit edlen Manschettenknöpfen dran, die das Wappen des Klubs der Königlichen zieren. Real Madrid legt sehr großen Wert auf Stil. John Toshack nicht so sehr. "Am Montag nehme ich mir immer vor", bekannte er vor kurzem, "zur nächsten Partie zehn Spieler auszuwechseln. Am Dienstag sind es sieben oder acht, am Donnerstag noch vier Spieler. Wenn es Sonnabend wird, stelle ich fest, dass ich doch wieder dieselben elf Scheißkerle einsetzen muss wie in der Vorwoche."

Scheißkerle - das ist nicht die Diktion eines königlichen Klubs. Die hohen Herren des Vereins haben sich lange in Krämpfen gewunden ob Toshacks drastischer Formulierungen. Aber sie mussten die Prolo-Sprüche hinnehmen, weil Johnnys elf Scheißkerle - jedenfalls in der Champions League - durchaus erfolgreich waren. Selbst in den elitärsten Sport-Zirkeln dieser Welt gilt: Erfolg ist wichtiger als Stil. Einst Real - jetzt Realismus. Früher hätte ein Typ wie Toshack die Real-Klubräume höchstens vom Hintereingang her betreten dürfen. Heute schlucken die hochverschuldeten Realos alles - Hauptsache, der Mann ist erfolgreich.

Tatsächlich hat Toshack Madrid problemlos unter die besten 16 Europas geführt. Doch in der Spanischen Meisterschaft - was für ein Desaster! Achter Rang nur momentan, sieben Punkte hinter Rayo Vallecano. Rayo ist erstens Aufsteiger, zweitens Spitzenreiter und drittens der dritte Madrider Klub. Aus der südlichen Vorstadt. Das ist so, als ob der FC Bayern sieben Punkte hinter Tabellenführer Unterhaching liegen würde. Zwar gewann Real unlängst im Lokalderby gegen Rayo - aber das hat nichts geändert an der Gesamtsituation.

Dennoch sollte Toshack eine letzte Chance bekommen, das Heimspiel gegen San Sebastian am Wochenende. Bei einer Niederlage wäre im Bernabeau-Stadion das weißeste Weiß angesagt gewesen: das der Taschentücher. Das Real-Publikum hätte die Tücher wütend geschwenkt. Als Zeichen, dass der Matador, in diesem Fall der Trainer, miserabel am Stier, in diesem Fall am Ball, gearbeitet hat. Und in den feinen Vorstands-Kreisen von Real wären sie offiziell zwar entsetzt, in ihrem Innersten jedoch erleichtert gewesen über die Niederlage. Weil sie Toshack nun sofort die Papiere hätten geben können.

Vielleicht hat sich der Trainer das gedacht, und vielleicht wollte er der Heuchelei zuvorkommen. "Eher fliegt ein Schwein über das Bernabeustadion", hat er der "Marca" erzählt, "als dass ich mich ändere." Diese Ferkelei hat bei Real zur Erkenntnis geführt, dass Schluss sein muss mit Scheißkerlen und anderem Schweinkram. Toshack flog. Nun schwebt möglicherweise bald der blonde Engel Bernd Schuster nebst Gattin Gaby über allem. Und vielleicht werden sie in Madrid irgendwann erkennen, dass sie mit Toshack noch Schwein gehabt haben.

jus

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