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Sport: Jojo gegen Gummiball

Sven Ottke bleibt Box-Weltmeister und denkt an Rücktritt

Magdeburg. Sven Ottke griff zum Mikrofon und hielt eine Abschiedsrede: „Ich will mich schon mal von euch verabschieden, denn ich weiß nicht, ob ich noch einmal wiederkomme." In seinem „Wohnzimmer", wie der gebürtige Berliner liebevoll die Bördelandhalle in Magdeburg nennt, hat der 36-jährige Boxchampion zwar noch nicht seinen Rücktritt erklärt, aber immerhin seine Abschiedstournee eingeleitet. Anlass mag die hässliche Beule gewesen sein, die ihn an seinen Grundsatz und den Wert seiner Gesundheit erinnerte und: Junge, mach rechtzeitig Schluss. „Meine Frau und meine Mutter bedrängen mich, mit dem Boxen aufzuhören." Gabi Ottke in der ersten Reihe hatte entsetzt die Hände vors Gesicht geschlagen, als die Schwellung über der rechten Schläfe ihres Mannes rapide fast zur Größe eines Hühnereis anwuchs.

Der Zusammenstoß ihrer Köpfe in der zehnten Runde blieb allerdings der einzig gefährliche Moment im Weltmeisterschaftskampf zwischen Sven Ottke und David Starie. Der Rest war Spiegelfechterei zwischen zwei Boxern, deren schnelle Füße an diesem Abend mehr im Einsatz waren als ihre flinken Fäuste. Jojo gegen Gummiball. Zappeln statt zupacken. Sven Ottke gewann diesen Wettlauf der Flitzer dennoch eindeutig nach Punkten, blieb auch im 31. Profikampf siegreich und Doppelweltmeister im Supermittelgewicht der Organisationen IBF und WBA.

Der Titelverteidiger hatte öfter als sein Herausforderer auch beide Fäuste ins Gefecht geführt, nicht mit Wucht und Wirkung, aber dennoch ab und zu klar getroffen. Beide Boxer ähnelten sich in ihrem sehr beweglichen Stil, der darauf ausgerichtet ist, mehr mit schnellen Reflexen Treffer zu vermeiden, als mit vollem Risiko Schläge auszuteilen. Dabei kann nichts Spektakuläres herauskommen. „Wenn auch ich den Laden zugemacht hätte, denn hätten wir uns wahrscheinlich zwölf Runden lang nicht gesehen im Ring", spottete Ottke. Anders als sonst war er es, der mit ein wenig mehr Initiative für Unterhaltung gesorgt hatte. Das genügte schon den Fans aus Magdeburg. Die 7000 Zuschauer jubelten – in jeder anderen Arena hätte das Publikum wohl gegähnt.

Das sei eben ein ganz anderer Kampf gewesen als sonst gegen die Amerikaner, „die auf mich zukommen und es wissen wollen", sagte Ottke mit entschuldigendem Unterton – wohl wissend, dass der Kampf nicht berauschend war und „keine Euphorie auslöst", wie sein kritischer Trainer Uli Wegner anmerkte. Aber „Sven hat den Sieg taktisch klug abgesichert", sagte Wegner. Der Weltmeister tat es mit all seiner Routine, war zwar auch nicht begeistert von sich, aber doch „recht zufrieden, wie ich das gelöst habe". Starie, drei Tage vor dem Kampf 29 Jahre alt geworden, erlitt in seinem 35. Kampf die vierte Niederlage, grämte sich aber nicht weiter, wusste er doch einzuschätzen, gegen wen er den Kürzeren gezogen hatte: „Sven ist ein intelligenter Boxer." Sein Trainer Gordon Holmes erhob den gewieften Strategen sogar in den Rang eines „Generals im Ring".

Trotz des standesgemäßen Abschieds von Magdeburg nach sieben umjubelten Auftritten ist noch nicht Schluss. In seinem gewohnten Drei-Monate-Rhythmus tritt Sven Ottke nach dem Plan Wilfried Sauerlands am 6.September in Karlsruhe oder Halle/Westfalen zur fälligen Pflichtverteidigung an. Nach dem Verzicht des Amerikaners Antwun Echols dürfte Mads Larsen neuer offizieller Herausforderer werden. Der Manager und Promoter bastelt darüber hinaus am Finale der glanzvollen Karriere seines Klienten. Sauerland fliegt in dieser Woche nach Amerika, um mit Don King über den Kampf Sven Ottke gegen Bernard Hopkins, den unumstrittenen Champion im Mittelgewicht der drei Verbände IBF, WBA und WBC, zu verhandeln. Im Moment sieht der Boxer in der Ankündigung seines Managers noch „ziemlich viel Blabla" und ist eher geneigt, auf seine Frau zu hören: „Ein Ende ist abzusehen.“

Hartmut Scherzer

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