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Der Gagaismus des Weltmeisters. Sebastian Vettels schräger Humor bringt Schwung in die stocksteife Formel 1. Foto: dpa

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Sport: Jolladijahu!

Einfach nicht zu hassen: Mit entwaffnender Lässigkeit entzieht sich Sebastian Vettel dem Psychokrieg in der Formel 1

Von Christian Hönicke

Gerade als es langweilig zu werden drohte, hatte Sebastian Vettel etwas Neues auf Lager. Nachdem er seinem Red-Bull-Team bei den bisherigen Siegen gern „Das ist es, worüber ich rede!“ zugebrüllt hatte, meldete er auf der Ziellinie von Barcelona über den für alle abhörbaren Boxenfunk Folgendes: „Yabbadabbadi Ringdingdingdingding!“ Später gab er preis, dass dies ein interner Witz sei, der sich an ein Nonsens-Lied anlehne. Vor dem Großen Preis von Monaco eine Woche später (heute 14 Uhr Qualifikation/RTL und Sky) nun rätseln breite Schichten der Formel 1, mit welchem Funkspruch Vettel denn einen weiteren Triumph zelebrieren werde. Vettel deutete zart einen Jodeljubel an: „Jolladijahu.“

Nach allem, was man von Weggefährten hört, entspricht dieser Humor dem Naturell des Heppenheimers. Längst hat sich der Vettel’sche Gagaismus in der stocksteifen Formel 1 auch als wirksame Strategie im Psychoduell der Piloten etabliert, mit der er Gegner und Kritiker auf Distanz hält. Neben der Piste ist der stets nette und witzige Vettel fast noch weniger angreifbar als auf der Strecke.

So scheint es vor jeder Saison die wichtigste Frage zu sein, welchen weiblichen Kosenamen er seinem Auto geben wird, und nicht, welche Innovationen „Randy Mandy“, „Luscious Liz“ oder „Kinky Kylie“ denn nun zieren. Oder welchen Talisman (einen Schweinchenanhänger? eine Glücksmünze?) er diesmal wo in seinem Auto platziert hat.

Allzu kritischen Nachfragen begegnet er gern mit aberwitzigen Übertreibungen, die er mit einem entwaffnend breiten Grinsen garniert. Oder er bleibt vage, wie auch bei der Frage, wie er denn damit umgehe, dass sein Kers-System immer wieder Aussetzer habe: „Das spreche ich intern schon an, aber nicht in der Öffentlichkeit.“

Hinter dieser verbalen Nebelwand kann Vettel weitgehend ungestört in seinem Kernbereich arbeiten. Intern nämlich spricht er durchaus Klartext. Teammitglieder beschreiben ihn als nett und bodenständig, aber auch fordernd, ehrgeizig und ungeduldig – wenn es ihm zu langsam gehe, haue er durchaus mal auf den Tisch. Und unter dem Helm, wenn der Funk ausgeschaltet ist, fluche er auch schon mal, erklärte Vettel selbst.

Nach außen jedoch bietet er mit seiner lässigen Surfer-Attitüde nicht einmal den englischen Medienvertretern eine Angriffsfläche, die bisher noch an allem, was aus Deutschland kam, eine dunkle Seite fanden. An Vettel, der Monty-Python-Sketche auswendig kennt und es nach seinem Sieg im Nationalheiligenschrein Silverstone öffentlich bedauerte, kein Engländer zu sein, beißen sie sich bisher die Zähne aus. „Wie Schumacher, nur netter“, so charakterisiert ihn die Londoner „Times“.

Da müssen die englischen Journalisten schon den alten Feind wieder herauskramen. Nach Vettels Sieg in Barcelona konstruierten sie aus der Quasi-Freundschaft der beiden Deutschen, dass Michael Schumacher Vettels Verfolger Lewis Hamilton im McLaren beim Überrunden aufgehalten habe. Der 41-Jährige tat ihnen auch prompt den Gefallen und bellte genervt zurück. Von Vettel war nichts zu hören.

Auch die Konkurrenz nimmt Vettels freundliche Dominanz seltsam apathisch hin. Dauersieger werden normalerweise schnell unsympathisch, doch der 23-Jährige versteht es meisterhaft, mit einer Mischung aus Demut und Selbstironie selbst den geschlagenen Kollegen ein gutes Gefühl zu hinterlassen. Nicht einmal sein Teamkollege Mark Webber schafft es, Vettel richtig zu hassen. Der Australier sieht sich im internen Duell von Red Bull benachteiligt, aber er macht dem Deutschen deswegen keine Vorwürfe. „Er steht mit beiden Beinen auf dem Boden und hat eine gute Erziehung genossen“, sagt Webber dem Magazin „auto, motor und sport“. „Du merkst, dass er einen guten Background hat. Er ist intelligent, ausgeglichen und sehr reif für sein Alter.“ Als Webber Vettel vor einer Woche in Barcelona erstmals in dieser Saison im Qualifying schlug, weigerte sich der Deutsche, dafür sein streikendes Kers als Ausrede zu benutzen. „Mark hat eine gute Runde gefahren und damit heute den besseren Job gemacht“, sagte Vettel. Webber, der Sieger des Tages, wirkte daneben wie ein Verlierer. Wie soll man so jemanden zum Feind haben?

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