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© AFP

José Mourinho: Der Revolverheld zieht nicht mehr

Kein Titel in der Champions League, kein schönes Spiel: Der FC Chelsea wirft Trainer José Mourinho raus.

Am Mittwochabend erfüllte der FC Chelsea Eigentümer Roman Abramowitsch endlich seine Wünsche: es gab ganz großes Kino. Im „Vue Cinema“ am Fulham Broadway, nur ein paar hundert Meter vom Stadion an der Stamford Bridge entfernt, wurde „Blue Revolution“ aufgeführt, eine wichtigtuerische Film-Dokumentation über den Verein. José Mourinho saß mit versteinerter Miene im Publikum. Die wichtigsten Spieler – Frank Lampard, Kapitän John Terry – waren jedoch abwesend, genau wie Abramowitsch und der gesamte Vorstand. Die Bosse verhandelten zur selben Zeit das Schicksal des Trainers. Der Daumen ging nach unten; kurz vor 2 Uhr morgens gab Chelsea bekannt, dass man sich „einvernehmlich“ getrennt habe. Als Abfindung sind knapp 30 Millionen Euro im Gespräch – der Vertrag des Portugiesen lief bis 2010.

Der Zeitpunkt der Trennung kam überraschend, die Saison ist gerade einen Monat alt. Im Sommer hatten Abramowitsch, der schon länger unzufriedene Öl-Milliardär, und Mourinho einen brüchigen Frieden geschlossen. Eine Spielzeit lang wollte man es noch miteinander versuchen. Der Portugiese, ein Mann, „der immer wie der letzte Revolverheld in der Stadt sprach, seine Mannschaft aber mit dem ganzen Wagemut eines Nachwuchs-Steuerberaters auf den Platz schickte“, wie die „Times“ bemerkte, versprach neuen, attraktiveren Fußball. Chelsea spielte zuletzt jedoch miserabel. Nach einem 0:2 gegen Aston Villa, einem 0:0 gegen die Blackburn Rovers und dem peinlichen 1:1 in der Champions League gegen Rosenborg Trondheim am Dienstagabend riss dem Russen der Geduldsfaden. Risikoscheuen Ergebnisfußball ohne gute Ergebnisse konnte Abramowitsch nicht mehr goutieren. Irgendwie hatte der Portugiese das mit der „russischen Revolution“ falsch verstanden. Er führte den Kader mit der unnachgiebigen Härte eines Politkommissars; Abramowitsch dachte, für eine Gesamtinvestition von knapp einer Milliarde Euro wenigstens eine Spur von Schönheit und Anmut verlangen zu können.

In der Führungsetage war man die ewigen Eskapaden des Trainers längst leid. Mourinho überwarf sich mit Spielern, Kollegen, den Medien, mit der Uefa. Er monopolisierte mit seinem ständigen Gepolter die Schlagzeilen. Der wichtigste Erfolg blieb jedoch aus. Abramowitsch hatte Mourinho vor gut drei Jahren mit dem Auftrag verpflichtet, die Champions League zu gewinnen. „Um ein wirklich großer Verein zu sein, muss man den Europokal zwei Mal in zehn Jahren holen“, erklärt Geschäftsführer Peter Kenyon im Film „Blue Revolution“ mit Chelsea-typischer Demut. Mourinho, mit Porto 2004 in der Champions League siegreich, kam mit den Blauen nur zwei Mal ins Halbfinale – aus Sicht von Abramowitsch versagte der selbsterklärte „Special One“ kläglich. Der Gewinn des FA-Cups und Ligapokals in der vergangenen Saison wurde nach zwei Meisterschaften in Folge nur als Trostpreis eingeschätzt.

Als Mourinho im Juni 2004 in London antrat, wollte ihm der Oligarch den brasilianischen Ballzauberer Ronaldinho als Willkommensgeschenk in die Kabine stellen. „Sie brauchen nur einen Superstar – mich“, soll Mourinho abgewunken haben. Der 44-Jährige bevorzugte Spieler, die er ohne Reibungsverluste zu willigen Erfüllungsgehilfen seines fußballerischen Kollektivs machen konnte. Nicht zufällig leiteten die von Abramowitsch forcierten Transfers von Andrej Schewtschenko und Michael Ballack vor zwölf Monaten das Anfang vom Ende der Mourinho-Ära ein. Der ukrainische Stürmer, der erklärte Lieblingsspieler des Russen, wurde vom Trainer brutal geschnitten und systematisch demontiert. Vor der Partie gegen die Norweger verglich Mourinho den knapp 50 Millionen Euro teuren „Sheva“ indirekt mit einem „drittklassigen Ei“ – „damit kann man keine guten Omeletts machen“, behauptete der Trainer. Gourmet Abramowitsch fand die Metapher nicht lustig.

Bis vielleicht ein neuer, prominenter Chef gefunden wird – der Weltmeister Marcello Lippi und Guus Hiddink, der Holländer, gelten als aussichtsreichste Kandidaten – tritt fürs Erste der spröde Israeli Avram Grant an. Der 52-Jährige ist ein Vertrauter von Abramowitsch; sportlich hat er außer mittelmäßigen Ergebnissen mit der israelischen Nationalmannschaft wenig vorzuweisen. Für besonders aufregenden Fußball wurde er in seiner Heimat auch nicht berühmt. Ein wichtiges Etappenziel auf dem langen Weg, ein einigermaßen normaler Spitzenverein zu werden, hat Abramowitsch mit der Beförderung des Sportdirektor aber auf jeden Fall erreicht: bis auf weiteres werden die Pressekonferenzen mit Chelseas Trainer sicher nicht mehr spektakulärer als die Spiele selbst sein.

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