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Schön war es. Jürgen Grabowski, Fußballweltmeister 1974, steht im Eintracht Frankfurt Museum vor einer Vitrine, in der ein Plakat von seinem Abschiedsspiel liegt.

© Andreas Arnold/dpa

Jürgen Grabowski wird 75: Der Anführer der Eintracht

Er war einer der besten Spieler der Siebzigerjahre: Der Welt- und Europameister, Uefa-Cup- und DFB-Pokalsieger feiert am Sonntag seinen 75. Geburtstag.

Jürgen Grabowski parkt seinen schicken Mercedes direkt vor dem Eintracht-Museum im Frankfurter Stadion. „Autos waren schon immer meine Schwäche“, sagt er entschuldigend. Von seinem ersten Handgeld - 12 000 Mark für zwei Jahre zusätzlich zum Monatsgehalt von 1000 Mark - hat er sich damals einen Triumph Speedfire gekauft. In Feuerrot. Grabowskis große Stärke war das Fußballspiel. Der Welt- und Europameister, Uefa-Cup- und DFB-Pokalsieger feiert am Sonntag seinen 75. Geburtstag. Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) begleitete die Eintracht-Legende durchs Museum seines Vereins, für den er 441 Bundesligaspiele bestritt - ohne jemals ausgewechselt worden zu sein. Bis heute klingt bei jedem Spiel sein Name durch die Frankfurter Arena - inbrünstig gesungen von den Fans. „Wir haben die Eintracht im Endspiel gesehn, mit dem Jürgen, mit dem Jürgen. Sie spielte so gut und sie spielte so schön mit dem Jürgen Grabowski! Schwarz Weiß wie Schnee, das ist die SGE“, so heißt es im Dauerhit der Thrash-Metal-Band Tankard. Im Museum: Grabowski an vielen Ecken und Enden. Aber der 44-malige Nationalspieler schaut sich suchend um: „Hier wurde umgebaut.“ Wo ist nur die Replik des WM-Pokals? Ein Mitarbeiter bringt hurtig die Mini-Trophäe aus einem Nebenraum und verspricht, dass sie in eine Vitrine kommt. Vom großen Finale von München sind hier auf den ersten Blick nur Tip & Tap zu sehen, die Maskottchen. An seinem 30. Geburtstag leitete Grabowski den 2:1-Siegtreffer ein. Pass zu Rainer Bonhof, Flanke, Tor und Luftsprung Gerd Müller. An jenem 7. Juli 1974 dachte Grabowski: „Die Welt gehört dir.“ Dabei war er nach dem blamablen 0:1 gegen die DDR aus der Mannschaft geflogen, was ihn tief getroffen hat. Als Einwechselspieler gelang ihm dann das vorentscheidende 3:2 gegen Schweden. „Diesem Spiel“, sagt er bis heute, „verdanke ich alles.“

In Frankfurt war Grabowski der Spielmacher

Schon 1966 gehörte Grabowski zum WM-Kader, spielte aber nicht. 1970 kam der Dribbler und Stratege nicht an einem vorbei, der an fast allen Abwehrspielern vorbei kam: Stan Libuda. Der Frankfurter erhielt aber die für ihn zweifelhafte Auszeichnung „Bester Einwechselspieler der Welt“. Und im „Jahrhundertspiel“ gegen Italien schlug Grabowski die Flanke zu „ausgerechnet Schnellinger“ (Kultkommentar von Ernst Huberty): Der Italien-Profi erzielte in letzter Sekunde das Ausgleichstor, ehe das Halbfinal-Spiel nach Verlängerung mit 3:4 noch verloren ging.
Nach dem WM-Titelgewinn trat Grabowski aus dem Nationalteam zurück, bei der Eintracht trumpfte er weiter auf. Von 1965 bis 1980 spielte er für die Adler, zuvor nur in Biebrich. Sein Lieblingstrainer war Gyula Lorant. Der Ungar ließ schon so etwas wie Raumdeckung spielen und seine Spieler genüsslich noch einen Mokka schlürfen, während die gegnerischen Mannschaft bereits mit klackernden Stollen im Kabinengang auftauchten und von so viel Gelassenheit beeindruckt waren.
In Frankfurt war Grabowski der Spielmacher, in der DFB-Auswahl spielte er meist Rechtsaußen - wegen Wolfgang Overath und Günter Netzer. „Für mich war er einer der größten Künstler, den wir bei der Eintracht hatten - wenn nicht sogar der größte“, sagt Bundesliga-Rekordspieler Karl-Heinz Körbel in einer HR-Reportage zu Grabowskis 75. Geburtstag. Für Overath war und ist er „ein ganz feiner Mensch, ein super Junge. Mit dem Ball konnte er alles.“
Das lustigste Foto von Grabowski im Museum stammt vom DFB-Pokal-Finale 1974. Der Kapitän hatte nach dem siegreichen Finale gegen den Hamburger SV etwas übereifrig den gerade erlaubten Trikottausch vollzogen, hat das HSV-Hemd mit der fetten Campari-Werbung übergestreift und hält den Pokal hoch. „Ich hatte mir nichts dabei gedacht, aber das hat mir mächtig Ärger eingebracht“, erinnert er sich. „Dafür hat mir Campari nachher sechs Flaschen geschickt.“
Beim Uefa-Cup-Gewinn 1980 reckt Grabowski den schweren Cup in Zivilkleidung in die Höhe. Bernd Hölzenbein hatte ihn seinem Mit-Weltmeister und Freund als erstes überreicht. Ein Foul von Lothar Matthäus und eine schwere Fußverletzung hatten kurz zuvor Grabowskis famose Karriere beendet.
Zu seinem Abschiedsspiel zwischen der Eintracht und der WM-Mannschaft von 1974 im damaligen Waldstadion kamen über 40 000 Fans. Das schöne Plakat ist das Prunkstück einer Extra-Vitrine. „Davon habe ich noch 40 Poster zuhause“, sagt der Ehrenspielführer der Frankfurter. „Ist immer noch ein schönes Geschenk.“ Nach seiner Karriere betrieb Grabowski zusammen mit seiner Frau Helga, mit der er in Taunusstein lebt, eine Versicherungsagentur. Er war mal kurz Interimstrainer bei der Eintracht, saß im Verwaltungsrat. Eine Funktionärs- oder Managerkarriere hatte er „nie im Sinn“.
Noch heute bekommt Grabowski jeden Tag per Post Autogrammwünsche. Die Generation Selfie kennt er längst aus den Stadionlogen. Im Eintracht-Museum sitzt die Legende nicht lange unbemerkt an einem Tisch. Eine Klasse vom Gymnasium Riedberg stellt sich brav an, jeder Schüler will sich einzeln mit Grabowski fotografieren lassen. Ein Fünfklässler stellt sich vor ihn hin, drückt das Kreuz durch und reicht ihm die Hand: „Es war mir eine große Ehre, Sie kennengelernt zu haben.“ Grabowski blickt ihm in die Augen und lächelt. (dpa)

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