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Meisterlich. Montpelliers Stürmer Oliver Giroud erzielte 21 Saisontore. Foto: dapd

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Sport: Jugend macht glücklich

Frankreichs Überraschungsmeister Montpellier setzt auf Nachwuchsspieler und überlässt teure Einkäufe dem Konkurrenten PSG.

Um die Gesundheit von Louis Nicollin stand es am Sonntagabend schlecht: Zuvor schon waren dem schwergewichtigen Vereinspräsidenten vor lauter Nervosität jegliche Pressefragen zu viel gewesen, nun verzögerten die Ultras von AJ Auxerre die Entscheidung, ob sein Klub Montpellier Hérault SC Meister werden würde. Tennisbälle, Klopapierrollen und Kiwis schmissen die wütenden Anhänger des Absteigers in ihrem vorerst letzten Erstligaheimspiel aufs Spielfeld, später bengalische Feuer. Wie zuletzt in Düsseldorf wurde das Spiel für insgesamt eine halbe Stunde unterbrochen. Schließlich pfiff Schiedsrichter Saïd Ennjimi die Begegnung wieder an, ließ entsprechend nachspielen – und Montpelliers Stürmer John Utaka bescherte dem Patriarchen Nicollin mit seinem zweiten Treffer zum 2:1-Auswärtssieg „den schönsten Tag meiner sportlichen Karriere“.

Montpellier errang seine erste Meistertrophäe. Und die ist wahrlich „nicht geklaut“, wie der bereits durch homophobe Äußerungen aufgefallene Nicollin erklärte, sondern hochverdient. Mit gerade mal 36 Millionen Euro wirtschaftete der Vorjahresvierzehnte Montpellier dieses Jahr, weit entfernt von den 140 Millionen Euro des ärgsten Rivalen Paris Saint-Germain. Es reichte trotzdem, um am 24. Spieltag einen Punkt in Paris zu erspielen und eine Woche später endgültig die Tabellenführung zu übernehmen. Die gaben die Fußballer von der Mittelmeerküste nicht mehr her, sie sind mit 82 Punkten nun sogar der beste Meister seit 2006. Da nützte PSG und seinen katarischen Investoren auch der finale 2:1-Sieg in Lorient nichts.

„Geld macht nicht glücklich“, sinnierte Montpelliers Trainer René Girard später. Im Fall von Montpellier ist es eher Jugend, die glücklich macht. Dieses Rezept jedenfalls beherzigt der Klub, seit der schwerreiche Nicollin in den neunziger Jahren beschloss, seinem Verein keine teuren Spieler mehr wie einst Eric Cantona und Carlos Valderrama zu spendieren. Die Nachwuchsarbeit brachte in den achtziger Jahren zwar schon den heutigen Nationaltrainer Laurent Blanc hervor, nun aber stammen gleich mehrere Leistungsträger aus der eigenen Jugend – von Torwart Geoffrey Jourdren über Abwehrspieler Benjamin Istambouli bis zu Mittelfeldtalent Younes Belhanda, den die Spielergewerkschaft UNFP gerade zum besten Nachwuchsspieler der Saison kürte.

Dazu verpflichtete Montpellier seit der Rückkehr in die Erste Liga vor drei Jahren für wenig Geld erfahrenere Spieler. Aus Marseille etwa kam der brasilianische Innenverteidiger Vitorino Hilton, aus Portsmouth der nigerianische Nationalstürmer Utaka. Als absoluter Glücksgriff erwies sich der lange vom FC Bayern beobachtete Stürmer Olivier Giroud, der diese Saison Nationalspieler und schließlich mit 21 Treffern gemeinsam mit Nene von PSG Torschützenkönig wurde. „Am Ende ergibt das keinen allzu schlechten Cocktail“, sagte Trainer Girard, der aus einer sicheren Defensive schnell nach vorne spielen lässt.

Einen Wehmutstropfen aber gibt es: Kein einziges Mal war das 33 000 Plätze fassende Stade de la Mosson ausverkauft, selbst im letzten Heimspiel nicht, als Montpellier bei einem Pariser Patzer schon hätte Meister werden können. Es liegt wohl daran, dass der erst 1974 aus einer Fusion von Nicollins viertklassiger Betriebself mit einem Lokalverein entstandene Club recht jung ist und in einer Stadt mit 22 Erstligavereinen quer durch alle Sportarten große Konkurrenz hat. Zumindest in der Champions League dürfte das Stadion aber in der nächsten Spielzeit auch mal ausverkauft sein. Für diese hat Nicollin keine hochtrabenden Ziele gesteckt: Er wünscht sich für den Meister lediglich den Klassenerhalt.

Matthias Sander[Montpellier]

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