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Sport: Kämpfender Künstler

Von Markus Hesselmann Glasgow. Einen „Spieler des Tages“ küren längst nicht mehr nur die ganz Großen.

Von Markus Hesselmann

Glasgow. Einen „Spieler des Tages“ küren längst nicht mehr nur die ganz Großen. Die Wahl zum „Man of the Match“ gehört – wie das Abspielen von „We are the Champions“ – zum Europacup wie zum Kick unter Thekenteams. n sind Nachrichten: Das schafft Übersichtlichkeit auch im verwirrenden Mannschaftssport. Selten war der inflationär benutzte Begriff so passend wie am Mittwochabend in Glasgow. Und selten hat ein Fußballer dieses imaginäre Amt so würdevoll bekleidet wie Zinedine Zidane nach dem 2:1-Sieg Real Madrids im Champions-League-Finale gegen Bayer Leverkusen.

Zidane ist kein Beckham und kein Effenberg. Personenkult ist ihm fremd. „Macht mich doch nicht wieder zum Helden“, bat Zidane nach dem Spiel fast flehentlich. „Bitte vergesst nicht die Leistung meiner Mannschaftskameraden.“ Er hob den Stürmer Raul und sein Führungstor genauso hervor wie den Torwart Iker Casillas und seine Paraden in der Nachspielzeit. Der Ersatzmann war in der zweiten Halbzeit für seinen verletzten Kollegen Cesar gekommen. Die Nummer eins hatte vor der Verletzung nur selten sicher gewirkt. Der Wechsel tat Real gut.

Was also wäre Zidanes Volleyschuss zum 2:1 wert gewesen, wenn sich nicht Casillas den drängenden Leverkusenern immer wieder in den Weg geworfen hätte? Trotzdem kann es kein Zufall sein, dass wieder einmal Zidane das entscheidende Tor vorbehalten war. Zidane, der Künstler, Zidane der Kämpfer. Zidane, der Individualist, Zidane, der Teamspieler. Er ist der vollkommene Fußballer und ragt beim Welt- und Europameister Frankreich wie beim Champions-League-Sieger Real Madrid aus ohnehin schon überragenden Mannschaften noch einmal heraus. Dafür verehren die spanischen Fans den Franzosen. Doch ihre Liebe gehört einem anderen. Violett prangte vor allen anderen der Name Raul auf den weißen Trikots der Madrider Fans, die in den vergangenen Tagen die Glasgower Innenstadt bevölkerten.

Der Spanier Raul befriedigt die nationalen Gefühle des königlichen Teams. Das muss sein, denn Real ist eine nationale Angelegenheit. Die Madrider Fans, die an ihrer Nationalmannschaft meist wenig Freude haben, rufen „Eviva España“, wenn ihr Team spielt. Bei Bayer Leverkusen käme wohl nie jemand auf die Idee, „Deutschland“ zu rufen. Da können vor der WM noch so große nationale Hoffnungen auf Ballack, Neuville, Ramelow oder Schneider lasten. Zur Strahlkraft eines Raul wird es keiner von ihnen bringen. Es fällt schwer, sich einen der vier vorzustellen, wie er mit großer Geste einen großen Sieg feiert. Bei Raul passt das. Mit der spanischen Fahne als gelbrotem Tuch bewegte er sich nach dem Sieg wie ein Torero. Spielend bändigte er die weißen Massen in den Kurven des Hampden Parks.

Doch darin lag nicht nur Stolz, darin lag auch Erleichterung. Es war ein Jahr, in dem der nationale Mythos Real beinahe Schaden genommen hätte. Ausgerechnet zu seinem 100-jährigen Bestehen hatte der Klub aus der Hauptstadt den Provinzen die spanischen Titel überlassen müssen. Den Pokal gewann Deportivo La Coruña, die Meisterschaft der FC Valencia. Eine Niederlage im europäischen Finale gegen den ruhmlosen Außenseiter aus Deutschland wäre der Totalschaden gewesen. Der Klub hatte sich selbst unter Druck gesetzt, als zur Jubiläums-Saison nicht nur Zidane, sondern gleich noch Luis Figo geholt wurde, der andere große zeitgenössische Mittelfeldspieler.

Für Figo war es schon ein Erfolg, dass die Madrider Fans ihn in Glasgow nicht wieder ausgebuht haben. Das hat der portugiesische Superstar in dieser Saison auch schon erlebt. Nicht nur, weil er vom unaussprechlichen FC Barcelona nach Madrid kam. Dieser eigentlich unzulässige Schritt hätte durch dauerhafte Leistung vielleicht legitimiert werden können. Das aber gelang dem häufig verletzten Figo nicht. Auch im Champions-League-Finale fiel der Portugiese nicht auf. Er ist der große Verlierer in einem am Ende noch siegreichen Team.

Der Mann des Spiels aber erlaubte sich dann doch einen Hinweis in eigener Sache. „Es war auch für mich persönlich ein wichtiges Spiel“, sagte Zinedine Zidane. In aller Bescheidenheit wies er darauf hin, dass er diesen Titel ja schon wiederholt vor Augen gehabt hatte. Mit Juventus Turin verlor Zidane das große Finale zweimal hintereinander: 1997 gegen Borussia Dortmund, 1998 gegen Real Madrid. Einen Zinedine Zidane als Verlierer – man musste schon ein Leverkusener Fan sein, um das an diesem Abend sehen zu wollen.

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