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Kaiserslautern: Zwischen Schauspiel und unerschütterlicher Zuversicht

Wer kann schon mit Sicherheit sagen, welche Gesten und Bilder unerschütterlich echt sind und welche dem Gefühl entspringen, vor den Augen des Konkurrenten nur ja keine Schwäche zeigen zu dürfen.

Marburg/Kaiserslautern - Es sind erstaunlich muntere Szenen, die sich da im Trainingslager des 1. FC Kaiserslautern abspielen. Autogramme werden für die wohl über 300 Besucher der Übungsstunden geschrieben als stünde man vor einem abschließenden Ausflug. Ein bisschen Schauspiel gehört dazu vor einer Partie, die "Endspiel" heißt und im direkten Duell über den Klassenerhalt entscheidet.

Auch die Männer vom Tabellen-Sechzehnten aus Kaiserslautern beherrschen die gängigen Verhaltensmuster und dennoch, scheint eine Stadt und deren Menschen eine erkaltete Beziehung wieder auferstehen zu lassen. Die Pfalz entdeckt die Emotionen für den FCK neu und so trudelten im "Vila Vita Hotel Rosenpark" in Marburg aufmunternde Faxe im Akkord ein. Die texte altbekannt in Zeiten der sportlichen Not, wenn zum letzten Gefecht geblasen wird: "Ihr schafft das, wir sind bei euch". Und vielleicht vielmehr, eine Mannschaft hat den verlorenen gegangenen Teamgeist neu ausgegraben und trägt ihn nun überbordend deutlich und für alle hörbar zu Markte und kehrt heraus wie sehr sich die Gefühlswelt der Pfälzer wandelte, seit die vielen jungen Spieler mitwirken und selbst den "Alten" haben mit ihrer Unbekümmertheit Flügel wachsen lassen.

Es bleibt ein leiser Zweifel, die Aufbruchstimmung könnte für den Klub aus dem Südwest zu spät kommen. "Dann", sagt der scheidende Klubchef Rene Jäggi, "wäre alles geregelt". Für die zweite Liga mit einem Etat von rund neun Millionen Euro. Über Abstieg aber weigern sich die Pfälzer standhaft zu sprechen, obwohl mancher selbst für diesen Fall mit Zuversicht jongliert, weil die junge Garde aus dem Nachwuchszentrum "Sportpark Rote Teufel" auf alle Fälle für einen Neuanfang steht. Auch das gehört zum Vorspiel, wenn der FCK mit einem Punkt Rückstand und einer um zwei Tore schlechteren Trefferbilanz nach Wolfsburg zum 15. reist und weiß, es muss unbedingt ein Sieg her. Alles andere führt wie vor zehn Jahren beim Abstieg 1996 in die Zweitklassigkeit. Für Jäggi wäre der Klassenerhalt ein versöhnlicher Abschluss seiner Amtszeit und es würde nicht mehr darüber geredet, dass nicht zuletzt seine Personalpolitik den Klub mit in die prekäre Lage brachte.

Wolfgang Wolf steht zufrieden am Rande des Trainingsrasens und schaut konzentriert zu. Die Arme vor der Brust verschränkt wirkt er wie ein Moderator, der Stimmungen steuert und entfacht. "Ich mache keinem etwas vor, ich fühle so, ich lebe das", sagt er und meint die eigene Zuversicht. Liebend gerne zählt er Vor- und Nachteile auf, weil sie in der Erkenntnis münden, "Wolfsburg hat sehr viel mehr als wir zu verlieren". Seine Mannschaft sei an die nervenaufreibenden Duelle im Keller der Tabelle gewöhnt, Wolfsburg dagegen stand noch nie auf einem Abstiegsplatz.

In Kaiserslautern wird auf dem Stiftsplatz in der Stadtmitte eine Großbild-Leinwand stehen, auf der das Spiel aus Wolfsburg live übertragen wird. 6500 Anhänger werden erwartet. 4116 Pfälzer Fußballfreunde werden im Stadion mit dabei sein. Mehr gibt das dem FCK zustehende Kontingent nicht her. "Wir wissen nicht, ob sich die Fans noch über andere Wege Karten besorgen konnten", sagt Pressechef Michael Novak und winkt mit den vielen Faxen, die im Teamhotel eintrudelten auf denen vom "Spiel des Jahres" die Rede ist. Es schwingt die Hoffnung mit, es mögen ein paar mehr sein.

Die Mannschaft versprühe Hoffnung sagt derweil Trainer Wolf und spricht von "völliger" Gelöstheit. Die Situation sei während der Saison viel schwieriger gewesen als heute. Und er verweist auf die wieder entflammte Leidenschaft der FCK-Fans. "Wir sind ein ganzes Stück weiter als vor ein paar Wochen. Wir haben uns die 100prozentige Unterstützung der Fans erarbeitet und verdient". Keiner kaut in der Öffentlichkeit Fingernägel und streunt Ruhelos umher. "Vielleicht", mutmaßt Wolf, "kommt die Nervosität im Spiel".

Er erwähnt den Heimvorteil der Wolfsburger und setzt Schlagworte wie "unbedingten Siegeswillen und Moral" entgegen, die Tatsache missachtend, dass mit Boubacar Sanogo ein wichtiger Stürmer verletzt ausfällt. Deshalb werden sie auf neue Tore von Halil Altintop hoffen. 19 hat der junge Türke, der ab Juli beim FC Schalke 04 spielt, schon geschossen und dem FCK damit die letzte Hoffnung erhalten. "Wir waren schon abgeschrieben, deshalb sind wir besser drauf als Wolfsburg. Die Jungen haben beweisen, dass sie mit dem Druck umgehen können", sagt Altintop. Was soll er auch sonst sagen. Es wird still für einen Moment, Wolfgang Wolf schaut ernst drein. "Wenn wir runter müssen, dann haben wir wenigstens erreicht, dass die Fans wieder an uns glauben", sagt er und es klingt sofort wie ein schwacher Trost. (Von Oliver Trust)

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