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Sport: Kalkulierter Unfall

Wie Hertha BSC für den Fall des Abstiegs plant

Von André Görke und Stefan Hermanns

Berlin. Als die Lage noch nicht ganz so schlimm war wie heute, haben sich die Mitarbeiter aus der Geschäftsstelle von Hertha BSC etwas Besonderes ausgedacht. Im Oktober beschlossen die nicht-fußballernden Angestellten des Vereins, einen eigenen Hertha-Fanklub zu gründen. Aus enger Verbundenheit nannten sie ihn „Ein Team“. Doch wie das ist, mit den Fußballern in einem Boot zu sitzen, könnten die Geschäftsstellen-Mitarbeiter erst am Ende der Saison richtig erfahren. Wenn Hertha nämlich in die Zweite Liga absteigen sollten, wäre davon vor allem die berufliche Existenz der Angestellten betroffen.

85 Mitarbeiter sind auf Herthas Geschäftsstelle beschäftigt, darunter auch die des Vermarkters Sportfive. Entlassungen sind derzeit kein Thema. Aber: „Jeder weiß, dass der Verbleib in der Ersten Liga wichtig ist“, sagt Geschäftsführer Ingo Schiller, „wir haben eine soziale Verantwortung als Arbeitgeber, aber auch eine Verantwortung dem Verein gegenüber. Beiden müssen wir gerecht werden.“ Manager Dieter Hoeneß äußert sich ähnlich, warnt jedoch vor Panikmache. Noch hat Hertha 16 Spiele, um den Abstieg abzuwenden. Im ersten geht es am Sonntag im Olympiastadion gegen den VfB Stuttgart.

Im Moment aber ist Hertha Tabellenletzter, und wenn der Klub Mitte März den Lizenzantrag für die neue Saison bei der Deutschen Fußball-Liga einreicht, wird dieser zwei Planungen enthalten: eine für die Erste und eine für die Zweite Liga. „Wir werden beide Fälle durchrechnen“, sagt Schiller. „Alles andere wäre nicht verantwortungsbewusst.“ In dieser Saison beträgt Herthas Etat 49,2 Millionen Euro; beim Abstieg würde er etwa halbiert werden müssen. Als zum Beispiel Eintracht Frankfurt vor zwei Jahren abstieg, senkte der Verein die Kosten von 25 Millionen auf 12 Millionen Euro.

Die Einnahmen: Der Abstieg wäre für Hertha keine finanzielle Katastrophe, aber sehr schmerzhaft. Allein die Fernseh-Einnahmen sinken auf rund ein Viertel. Statt 232 Millionen Euro wie in der Ersten Liga teilen sich die 18 Zweitligisten nur 58 Millionen Euro. Würde Hertha in der Zweiten Liga oben mitspielen, dürfte der Verein etwa 4 Millionen Euro einnehmen. Doch hohe Einbußen gäbe es nicht nur bei den Fernseh- und Zuschauereinnahmen. Der bis Mitte 2006 laufende Vertrag mit Trikotsponsor Arcor, der Hertha jährlich rund sechs Millionen Euro einbringt, gilt zwar auch für die Zweite Liga. „Wir stehen zu Hertha“, sagt Jens Wagner, Sprecher des Unternehmens. In der Zweiten Liga aber würde der Betrag wohl deutlich niedriger ausfallen. Das ergibt sich schon daraus, dass die Spieler nicht so oft im Fernsehen zu sehen sind – und damit auch nicht der Unternehmensname auf der Brust. „Die Sponsoren hätten jedoch Vertrauen“, sagt Thomas Herrich vom Vermarkter Sportfive. „Wir pflegen seit Jahren den Kontakt zu unseren Partnern, das zahlt sich in unserer jetzigen Situation aus.“ Sportfive würde Hertha auch in der Zweiten Liga vermarkten.

Das Stadion: Eine Schwachstelle in den Planungen könnte das Olympiastadion sein, das im Juli fertig gestellt ist. Hertha stehen 84 Logen (ab 65 000 Euro) und 4000 Business-Seats (ab 2500 Euro) zum Verkauf zur Verfügung. Die Anfragen häufen sich, das Interesse aber ist auch von der sportlichen Darbietung abhängig. Sollte Hertha absteigen, müssten die Preise gesenkt werden. Zudem wird das Stadion den Etat jährlich mit 5,5 Millionen Euro belasten. Hertha muss diese Summe ab Juli für 13 Jahre an die Betreibergesellschaft zahlen. Zum Vergleich: Der Etat von Zweitligist Erzgebirge Aue liegt in dieser Saison bei 5,1 Millionen Euro. Bei einem Abstieg kann die Belastung für Hertha jedoch angeblich niedriger angesetzt werden, im Erfolgsfall würde sie dann wieder angehoben. Die 5,5 Millionen Euro sind nur ein Richtwert.

Die Mannschaft: Schwer würde es bei einem Abstieg auch sportlich werden. Die teure Mannschaft dieser Saison könnte sich Hertha in der Zweiten Liga nicht mehr leisten. Der Verein alleine entscheidet zwar, welche Verträge für die Zweite Liga gelten und welche nicht, sodass die Spieler nicht ablösefrei gehen können. Würden sie bleiben, müsste ihnen Hertha jedoch dieselben Gehälter zahlen wie in der Bundesliga.

Bayer Leverkusen war in der vergangenen Saison in einer ähnlichen Lage wie Hertha BSC. Um die finanziellen Einbußen im Abstiegsfall zum Teil ausgleichen zu können, hatten die Leverkusener eine Versicherung abgeschlossen. Beim Abstieg hätten sie daraus sieben Millionen Euro bekommen. Hertha besitzt keine derartige Versicherung.

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