zum Hauptinhalt

Sport: Kalte Worte

Ausgerechnet vor der Eisschnelllauf-WM in Inzell eskaliert der Streit um den Chef-Bundestrainer

Die Farbe des Zehs wechselt derzeit. Er war mal rot, zuletzt war er grün, in ein paar Tagen wird er wohl braun sein. So lautet die jüngste Botschaft, die Patientin Anni Friesinger in eigener Sache bekannt gab. Es geht hier um den linken Zeh, den hat sich Friesinger beim Weltcup-Finale der Eisschnellläufer in Heerenveen beim Aufwärmen verletzt, als sie gegen eine Eisenstange stieß. Die Kapselverletzung ist noch nicht ausgeheilt, also tritt sie heute mit Schmerzen an. Aber sie tritt an, das ist klar. Erstens findet die Weltmeisterschaft von heute an in Inzell statt, ihrem Heimatort. Die Eisbahn kennt sie bestens. Zweitens finden heute die 1500 Meter statt. Und darin ist sie Titelverteidigerin, auf dieser Strecke ist sie viermal Weltmeisterin und auch Olympiasiegerin geworden. Friesinger ist einer der größten deutschen Medaillenhoffnungen. Wenn die Schmerzen zu ertragen sind, will sie vier Strecken laufen. Bis zu ihrem Unfall war sie über 1500 Meter Goldfavoritin, jetzt sind Prognosen schwieriger.

Es gibt noch einen Krankheitsfall im deutschen Team. Claudia Pechstein, die viermalige Olympiasiegerin, hatte Anfang der Woche Grippe. Sie konnte nicht trainieren, schwer zu sagen, ob sie so ihre starke Form halten konnte. Bis zu ihrer Grippe zählte sie über 3000 Meter und 5000 Meter zu den Topfavoritinnen. Sie hat in Heerenveen beim Weltcup-Finale über 3000 und 5000 Meter gewonnen, sie hat sich damit auch den Gesamt-Weltcup auf den langen Strecken gesichert. Medaillenchancen haben auch Sabine Völker, Daniela Anschütz und Monique Garbrecht-Enfeldt, aber ihre Chancen sind geringer als die von Friesinger und Pechstein. Und bei den Männern wäre Chef-Bundestrainer Helmut Kraus über einen zehnten Platz von Marco Weber über 10 000 Meter „schon super-happy“.

Aber wahrscheinlich müssen sich Kraus und die Verbandsführung in Inzell auf ein anderes Problem konzentrieren als auf fehlende Medaillen im Männerbereich. Denn der Chef-Bundestrainer ist wieder in die Kritik geraten. Claudia Pechstein fühlt sich ignoriert, weil Kraus zwar Journalisten, aber nicht ihr erklärt hatte, dass sie für den Teamwettbewerb nur als Ersatz vorgesehen sei. Auch der Erfurter Robert Lehmann beklagt sich über Kraus’ Umgangsformen. Er ist deutscher Vizemeister, aber zur EM durfte er nicht. Die Gründe habe ihm Kraus nie mitgeteilt, sagte Lehmann.

Dass vor allem Pechstein den Chef-Bundestrainer kritisiert, hat Tradition, aber die WM stellt natürlich eine ideale Bühne für ihre Vorwürfe dar. Kraus dagegen verteidigt sich: „Als Chef-Bundestrainer muss ich nicht direkt mit den Athleten sprechen. Dazu habe ich die Heimtrainer.“ Aber der Heimtrainer Achim Franke, Coach von Pechstein, sagt dazu: „Man muss auch die menschlichen Qualitäten haben, einem Athleten selber zu sagen, dass er nicht nominiert ist. Aber da ist Kraus zu feige.“ Und dass er, Franke, seine Athletin zu informieren habe, kommentiert er drastisch: „Wenn er das so sagt, ist das doch eine überzogene Arroganz und Selbstgefälligkeit.“ Pechstein forderte in einem Interview sogar die Ablösung von Kraus. Aber so weit will Franke nicht gehen. „Wir brauchen schon einen Chef-Bundestrainer. Er leistet viel im organisatorischen Bereich und bereitet Lehrgänge vor. Er sagt uns auch, was machbar ist und was nicht.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false