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Sport: Kalter Abschied

Trainer Pierre Pagé möchte kein Eisbär mehr sein und wird den Verein wohl zum Saisonende verlassen

Berlin - Es ist kalt am Donnerstagmittag, draußen vor den grauen Blechfassaden der Eishallen im Sportforum Hohenschönhausen. Pierre Pagé stört die Kälte nicht, ihn fröstelt höchstens in Gedanken. „Wir dürfen nicht zurückschauen“, sagt der Trainer der Eisbären. „Wir müssen nach vorne schauen.“ Die Zukunft des deutschen Eishockeymeisters ist die O2-World. Angesichts dieser im Bau befindlichen Riesenarena am Ostbahnhof wirkt der Wellblechpalast unverschämt schmucklos. Seit mehr als fünf Jahren ist der nun 58 Jahre alte Kanadier Pagé in Berlin, häufig hat er davon gesprochen, dass er die Marke „Eisbären“ hinsichtlich des anstehenden Umzugs aufbauen wolle. Doch nun wird in einem Jahr wohl ein anderer Trainer mit den Eisbären nach Berlin-Friedrichshain umziehen.

Pierre Pagé will den Klub zum Saisonende verlassen. Im Herbst 2006 hatte Manager Peter John Lee seinem Coach einen neuen Vertrag angeboten. Pagé unterschrieb ihn nicht. Nun sagt er, dass er dazu nichts mehr sagen dürfe. Manager Lee und Detlef Kornett, Europa-Chef des Klubeigners Philip Anschutz, müsse man wegen seiner Zukunft fragen, sagt Pagé. Fragen kann man die Herren viel, klare Antworten geben sie zurzeit ungern. Dafür sind andere im Verein in Plauderlaune: Wie sonst konnte herauskommen, dass die Eisbären die Wohnung des Trainers gekündigt haben? Lee gibt zu, dass ihn diese Nachricht „schockiert“ habe. An sich habe das keiner wissen können.

Überhaupt scheinen die Eisbären ein Kommunikationsproblem zu haben. Davon, dass sein Stürmer Stefan Ustorf bis zum Saisonende verletzt ausfällt, erfuhr Pagé am Dienstag erst zwei Stunden nachdem sein Klub das schon vermeldet hatte – durch einen externen Anrufer. Pagé sagt: „Die Geschichte ist hier nicht, was aus dem Trainer wird, die Geschichten sind andere.“ Nach vier erfolgreichen Jahren mit zwei Meistertiteln sind die Berliner diese Saison in Schieflage geraten: Schwache neue Spieler wurden verpflichtet, vier Spieltage vor Ende der Hauptrunde in der Deutschen Eishockey-Liga sind sie nur Neunter, und ihr Reserveteam rangiert in der Oberliga auf dem vorletzten Platz. „Es dauert länger, ein gutes Nachwuchssystem aufzubauen als es zum Einstürzen zu bringen“, sagt Pagé. Dass sich in fünf Jahren auch so manches in der Trainerarbeit abschleift, scheint ihm nicht in den Sinn zu kommen. „Wenn man Erfolg hat, wird halt nichts hinterfragt“, sagt Stürmer Ustorf. Mitten im Misserfolg wird dafür umso mehr gefragt – etwa nach dem Verhältnis von Manager und Trainer, das bei den Eisbären nachhaltig gestört ist. Wobei Lee darauf pocht, dass alles „fair für beide Seiten“ ablaufen müsse: „Ich will hier doch keinen Kleinkrieg haben.“ Harmonie zwischen Lee und Pagé? Gibt es: Beide verweisen darauf, dass ihr Team noch Meister werden könne. Das aber wäre inzwischen eine Sensation. Wenn sich die Berliner nicht erheblich verbessern, ist die Saison für sie in der Qualifikationsrunde zu den Play-offs oder im Viertelfinale beendet: Von den letzten acht Spielen haben sie sieben verloren – darunter war auch eine Auswärtsniederlage beim EHC Straubing, der heute in Berlin aufläuft (19.30 Uhr).

Längst wird davon gesprochen, dass andere Klubs an Pagé interessiert sind, unter anderem Red Bull Salzburg. Der Verein hatte bereits 2005 bei der WM in Wien den Kontakt gesucht. Pagé äußert sich nicht zu dieser Option. Außerdem arbeite er gern für die Anschutz-Gruppe. Pagé, die personifizierte Zerrissenheit. Er lächelt in der Kälte von Hohenschönhausen. „Wir brauchen wieder ein wenig Zauber auf dem Eis.“ Dann habe die Aktie „Eisbären“ noch eine Chance. Pierre Pagé wirkt nicht so, als ob er langfristig in sie investieren will. So, wie die Eisbären auch nicht mehr viel in den Wellblechpalast investieren werden.

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