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Dieses Olympiamobil hat ein kanadischer Sportfan mit Skiern und Schlittschuhen für immer getunt.

© Annette Kögel

Kanada: Olympischer Funkenschlag

Vor einem halben Jahr begannen die Spiele in Vancouver und Whistler. Kanada investierte Milliarden – und hat bis heute an Renommee gewonnen.

Was waren das für Schlagzeilen, als die kanadischen Eishockeyspielerinnen ihr olympisches Gold angeblich ehrenrührig mit Champagnerduschen auf dem Eis feierten. Und jetzt das: Im UBC Thunderbird Stadion in Vancouver, dort, wo die Sledgehockeyspieler während der Paralympics im März das Publikum von den Sitzen rissen, lud die Bierbranche kürzlich zum „Nando’s Canada Cup of Beer“ – Vancouvers größtem Bierfestival. Ist das die viel beschworene „Legacy“, das Vermächtnis der Spiele?

Am heutigen Donnerstag vor einem halben Jahr begann die Ära der ersten Olympischen und Paralympischen Spiele auf kanadischem Boden. Die Bilanz nach sechs Monaten ist so durchwachsen, wie das Wetter in Kanadas drittgrößter Stadt Vancouver am Pazifik. „Man sieht immer noch Olympia-Shirts und Kühlschrankmagneten in den Geschäften“, sagt die sportbegeisterte Schülerin Florence Ng, „aber der Preis ist stark herabgesetzt. Wenn die Leute jetzt über die Spiele reden, dann in Verbindung mit der neuen Steuer, die der Premierminister von British Columbia gerade verkündet hat“, sagt die Paralympics-Nachwuchsjournalistin.

Aber weil die Kanadier sportverrückt sind, nehmen sie die neuen teuren Sportarenen begeistert an. Im neuen Richmond Olympic Oval gaben die Eisschnellläufer alles – seit 1. April kann die Öffentlichkeit auf Kufen kurven. Eigentlich sollten erst im Herbst modernste Ballsportplätze und Fitnesscenter öffnen, aber schon seit Juli schwitzen dort Sportler. Das Oval soll schon eine Million Dollar Profit gemacht haben. Weil Kanada auf Nachhaltigkeit setzt, besteht das Dach aus von Borkenkäfern durchfurchtem Holz samt angesiedeltem Bienenvolk. In der Halle, in der die Curler bei den Olympics und Paralympics begeisterten, wird noch Monate gebaut: Das Vancouver Olympic Center soll weiter zum Curling, zudem als Schwimmhalle und Gemeindezentrum dienen.

Kaum war die Paralympische Flamme am 21. März nach der Abschlussfeier in Whistler erloschen, kündigte Premier Gordon Campbell ein Riesenneubauprojekt an. Nahe dem BC Place, wo die Eröffnungsfeier stieg, soll ab 2011 ein Casino- und Hotelneubau entstehen, für 450 Millionen kanadische Dollar. Ob sich die Spiele aus finanzieller Sicht gerechnet haben, soll im Spätherbst ermittelt werden.

Die ursprünglich veranschlagten Kosten waren auch im Zuge der Weltwirtschaftskrise schon 2009 ständig gestiegen. Zuletzt wurden allein die Kosten für die Durchführung der Spiele mit1,15 Milliarden beziffert. Der Bau der Sportstätten kommt hinzu: 400 Millionen Euro. Nicht gerechnet etwa der Aufwand für den umstrittenen Ausbau des 130 Kilometer langen vierspurigen Sea-To-Sky-Highways hoch nach Whistler in die Berge durch Squamish-Indianergebiet. Der neue Skytrain, die fahrerlose S-Bahn vom Flughafen in die Innenstadt, wird jedenfalls intensiv genutzt. Um dem Organisationskomitee Vanoc den Rücken zu stärken, hatte das Internationale Olympische Komitee erstmals in seiner Geschichte einen Fonds eingerichtet. Die Rücklage muss wohl in Anspruch genommen werden. Insgesamt sollen durch die Spiele über vier Milliarden Euro Kosten angefallen sein.

Eine Million Dollar entfiel auf den Bau des nachhaltig und behindertengerecht konzipierten olympischen Dorfes an der Bucht von False Creek mit 17 Gebäuden. Laut Tageszeitung „Vancouver Sun“ liegt der Quadratmeterpreis der Eigentumswohnungen bei mindestens 819 kanadischen Dollar. Die „Funk the Olympics“-Protestfraktion kritisierte, dass die Zahl der Sozialwohnungen reduziert wurde. Schneller gingen die 4600 Fahrzeuge aus dem Olympia-Fuhrpark weg, die nach den Paralympics auch in Zeitungsanzeigen beworben wurden. Wer als Freiwilliger bei den Spielen geholfen hatte, bekam 1000 Doller Rabatt.

Eine Rechnung macht man nach Olympia aber nicht nur in Dollars auf. Aus dem olympischen Feuer wird weiter Funken geschlagen. Am 1. Juli, dem Nationalfeiertag war das zum Beispiel so, als die Fackel Downtown nochmal entzündet wurde. „Wir zeigen in der Vancouver Art Gallery eine Ausstellung aus Paris, die Kunstwerke hätten wir hier an der Westküste vorher wohl nicht bekommen“, sagt Amber Sessions vom Tourismusverband Vancouver. Von der Sportwirtschaftsbranche wurde die Metropole jetzt auf Platz sechs der Top-Ten-Sportstädte der Welt hinter Sydney, Berlin, London, Singapur und Gewinner Melbourne gewählt. Weil sich Robson Plaza in Vancouver bei Olympia als Feiertreffpunkt etablierte, gab es auf dem Platz erstmals Public Viewing, bei der Fußball-WM. Whistler wirbt derweil als führender Wintersportort Kanadas für Athleten und Touristen mit Behinderungen.

Nun laufen die Vorbereitungen für die Bob- und Rodel-WM vom 22. bis 27. November. Es soll bald über den spontanen Gedenkort hinaus ein Memorial für den tödlich verunglückten Rodler Nodar Kumaritaschwili geben. Auch die Spiele bleiben unvergessen. Die olympischen Ringe, die am Medaillen-Platz schon abgebaut worden waren, sind nach heftigen Protesten doch wieder errichtet worden, als Fotomotiv. Olympia zieht, immer noch.

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