zum Hauptinhalt

Sport: Kannst du dich erinnern?

Der KSC steigt auf – und hat Großmannssucht durch Bescheidenheit ersetzt

Wer braucht zum Feiern schon Pokale, wenn eine Eckfahne zur Hand ist? Einer nach dem anderen stemmte sie in die Höhe, im südöstlichen Eckchen des Ostseestadions, wo die Fans aus Karlsruhe standen. Aus dem Rudel wurde Giovanni Federico vor eine Kamera gezerrt. Der Spielmacher des Karlsruher SC wollte wohl zur Zurückhaltung mahnen und vor schweren Aufgaben warnen, aber der komplizierte Satz, den er sich zurechtgelegt hatte, er misslang: „Ein Punkt fehlt uns noch zum Aufstieg. Es dürfte schwer sein, den nicht zu holen.“ Federico zögerte einen Augenblick, dann lachte er über seinen Versprecher. Allzu große Bescheidenheit hätte ihm nach dem 2:1-Sieg bei Hansa Rostock im Spitzenspiel der Zweiten Fußball-Bundesliga ohnehin keiner abgenommen. Nach neun Jahren Abstinenz ist der KSC wieder erstklassig. Gibt es jetzt eine Aufstiegsfeier? „Ja“, sagte Federico, „aber nur eine inoffizielle.“

Bei noch vier ausstehenden Spielen hat der KSC zwölf Punkte Vorsprung auf einen Nichtaufstiegsplatz und dazu die mit Abstand beste Tordifferenz der Liga. „Wir können uns jetzt ja nicht hinstellen und sagen: Wir sind noch nicht aufgestiegen“, sagte Manager Rolf Dohmen. „Natürlich sind wir aufgestiegen.“ Es gibt dem Karlsruher Wiederaufstieg eine heitere Note, dass er ausgerechnet in Rostock seine gefühlte Vollendung erfuhr. Das Ostseestadion war nicht immer ein gutes Pflaster für den KSC. Das ganze Spiel über bemühte sich der Rostocker Anhang zur Melodie von „Bruder Jakob“ um Geschichtsunterricht: „Hallo Karlsruhe, hallo Karlsruhe, weißt du noch, weißt du noch? Kannst du dich erinnern, kannst du dich erinnern? Vier zu zwei! Vier zu zwei!“ Thomas Häßler spielte damals noch für den KSC und schoss beim 2:4 in Rostock beide Tore. Es waren die vorerst letzten der Karlsruher Bundesligageschichte. An diesem 9. Mai 1998 stieg der KSC ab und ahnte noch nicht, dass es nur eine Etappe war auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit. Geschäftsführer Klaus Fuchs schwadronierte damals vom „reichsten Absteiger aller Zeiten“ und verkündete die sofortige Rückkehr, um das Projekt „KSC 2000“ voranzutreiben. In den ausgehenden Neunzigern war es schick, sein Unternehmen mit dem Namenszusatz 2000 zu bestücken, das stand für Fortschritt und Vision. Der KSC stieg im Jahr 2000 in die dritte Liga ab.

Seltsame Geschichten werden erzählt aus dieser Zeit. Etwa die von Rafael Martin Vazquez, einst spanischer Nationalspieler, aber auf dem absteigenden Ast, als er zum KSC kam. Sein Vertrag war mit angeblich drei Millionen Mark im Jahr dotiert. Nach ein paar Wochen war das Missverständnis ausgeräumt, Vazquez mit fetter Abfindung wieder weg. Bruno Labbadia fragte vor seinem Wechsel nach Karlsruhe: „Könnt ihr euch das überhaupt leisten?“ Sie konnten nicht, an den Folgen leidet der KSC bis heute. Knapp fünf Millionen Euro Schulden sind noch abzutragen.

Es fällt schwer, die Großmannssucht von damals mit Edmund Becker in Einklang zu bringen. Mit grimmiger Miene schritt der Karlsruher Trainer am Montag vom Rasen des Ostseestadions und wollte sich partout nicht zum Aufstieg gratulieren lassen, „uns fehlt noch ein Punkt“. Becker ist Badener, er hat für den KSC in der Bundesliga gespielt, er war schon Jugend- und Kotrainer, er war eigentlich immer da, nur nicht beim Abstieg 1998 in Rostock, da war Becker suspendiert, „weil seine Nase einigen Herren im Verein nicht passte“, wie Manager Dohmen sagt.

Cheftrainer wurde Becker nur durch eine Laune des Schicksals, besser gesagt: durch eine schlechte Laune von Utz Claassen. Der Chef des Hauptsponsors EnBW hatte im Dezember 2004 aus persönlichen Gründen gegen den eigentlich verpflichteten Reinhold Fanz interveniert – die beiden waren mal zu gemeinsamen Zeiten in Hannover aneinandergeraten. Der KSC ließ Fanz fallen und bat Becker, den ewigen Assistenten, als Chef einzuspringen. Aus der Notlösung wurde ein Glücksfall. Seit Becker das Sagen hat, herrscht Kontinuität beim KSC.

Mit dem Erfolg aber geraten die Dinge wieder in Bewegung. „Unsere Planungen laufen“, sagt der Manager, sechs neue Spieler will er verpflichten und eine der Bundesliga angemessene Infrastruktur schaffen. Der Komplettumbau des maroden Wildparkstadions zu einer modernen Arena ist beschlossene Sache, nur über die finanziellen Modalitäten wird mit der Stadt gerungen. Dohmen hofft, „dass jetzt nach dem Aufstieg der Druck auf die Stadt steigt. Ich gehe davon aus, dass der Umbau im Mai 2008 beginnt. Die Chancen stehen 80:20“. Und wenn es nichts wird? Daran mag er nicht denken, nicht jetzt, in der Stunde des Triumphes. Der Aufstieg sei nicht Pflicht, hat Dohmen immer wieder gesagt. „Aber das neue Stadion ist ein Muss. Ansonsten liegt unsere Zukunft in der dritten Liga, wenn überhaupt.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false