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Nur einer kam durch. Sebastian Brendel paddelte gegen den deutschen Trend.

© dpa

Kanu-WM in Moskau: Historisches Debakel für deutsche Athleten

Die deutschen Kanuten holen bei der Weltmeisterschaft in Moskau so wenige Medaillen wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Nur Canadier-Fahrer Sebastian Brendel bessert die trübe Bilanz auf.

Die deutschen Kanuten haben bei der WM in Moskau ein historisches Debakel erlebt und blicken voller Sorgen auf die Olympia-Qualifikation kommendes Jahr. Nur drei Medaillen über die olympischen Strecken heimsten die seit Jahrzehnten erfolgsverwöhnten Paddler am Wochenende ein und schnitten damit so schlecht ab wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Bisher stand der Negativrekord bei fünf Plaketten von den Weltmeisterschaften 2010 im polnischen Posen.

„Die Enttäuschung ist groß, aber ich würde nicht von einer Krise reden“, kommentierte Verbandspräsident Thomas Konietzko: „Wir haben immer noch mehr Medaillen geholt, als die meisten anderen olympischen Sportarten hierzulande von ihren Weltmeisterschaften heimbringen.“ Dennoch waren die Titelkämpfe in Russlands Hauptstadt eine krachende Niederlage für den Deutschen Kanu-Verband (DKV), bei dem langjährige Leistungsträger wie die Olympiasiegerinnen Franziska Weber und Tina Dietze oder der Olympia-Dritte Max Hoff sich und Bundestrainer Reiner Kießler teils bitter enttäuschten.

Einzig Olympiasieger Sebastian Brendel präsentierte sich in Topform

Einzig Canadier-Einer-Ass Sebastian Brendel ragte aus einer mauen Teamleistung heraus und kürte sich unter anderem zum 1000-Meter-Weltmeister. „Am Montag werden wir mit Ruhe und Sachverstand unsere Analyse beginnen“, kündigte Konietzko an und demonstrierte Vertrauen in die etablierten Kräfte: „Ich bin sicher, dass diejenigen, die in der Vergangenheit die Weltspitze mitbestimmt haben, dass im nächsten Jahr wieder schaffen.“ Im kommenden Jahr muss vieles deutlich besser laufen, wenn einige Paddler nicht schon vorzeitig ihre Ambitionen für Olympia in Rio de Janeiro begraben wollen. Bei den Weltmeisterschaften 2015 in Mailand vergibt der Internationale Kanu-Verband ICF einen Großteil seiner Startplätze für Olympia 2016 in Brasilien. „Da müssen wir die Quotenplätze holen und auf Nummer sicher gehen“, befand Konietzko.

Auch disziplinübergreifend drohte dem DKV vor den abschließenden 200-Meter-Staffeln am Sonntagnachmittag ein schlechteres Abschneiden als bei jeder anderen WM, seitdem ein gesamtdeutsches Team startet. Vor den letzten WM-Rennen hatten Kießlers Schützlinge auf der Olympia-Strecke von 1980 nur zwei Titel und insgesamt acht Medaillen ergattert. Einzig Olympiasieger Brendel präsentierte sich in Topform und ließ den Goldmedaillen vom Samstag über 1000 und 5000 Meter einen Tag später noch Silber über 500 Meter folgen. Über die olympische Mittelstrecke paddelte der 26-Jährige gar zu einer Weltbestzeit. „Was habe ich dafür gearbeitet! Aber ich war auch noch nie so kaputt“, verkündete der Potsdamer nach einer Fabelmarke von 3:44,578 Minuten.

Deutschland droht der Verlust von vier Olympia-Startplätzen

Darüber hinaus fuhren die Sprint-Europameister Ronny Rauhe und Tom Liebscher im K2 über 200 Meter zu Silber, der Mittelstrecken-C2 mit Yul Oeltze und Ronald Verch holte Bronze. Im nicht-olympischen Bereich wurden die Duos Robert Nuck/Stefan Holtz (C2) und Weber/Dietze (K2) im Sprint jeweils Zweite - genau wie Max Hoff im Kajak-Einer auf der Langstrecke. Trösten konnte den Essener das aber kaum - kurz zuvor war er über die bedeutungsvolleren 1000 Meter meilenweit hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben. „Es ging einfach nicht mehr“, beklagte der Vorjahres-Weltmeister: „Es war ein Wochenende zum Abhaken, ich komme derzeit einfach nicht vom Fleck. Ich habe enttäuschende Leistungen abgeliefert, das tut mir leid.“

Als größtes deutsches Problemboot erwies sich in Moskau einmal mehr der Kajak-Vierer der Männer, der nicht mal ins Finale kam. Durch eine Vorstellung wie diese würden die Kanuten in Mailand 2015 allein dadurch auf einen Schlag vier Olympia-Starttickets verlieren - mit Auswirkungen auch auf alle anderen Kajak-Disziplinen. „Das ist mitten zwischen zwei Olympischen Spielen die beste WM, um auch mal solche Erfahrungen zu sammeln. Jetzt sollen sich alle ärgern, dann überlegen wir, wie wir die Scharte wieder auswetzen können“, sagte Konietzko. (dpa)

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