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Dittmer

© dpa

Kanu-WM: Opfer der eigenen Größe

Von dem Kanuten Andreas Dittmer wird mehr erwartet als nur Siege. Er muss mehr bringen als Erfolge über 500 Meter, er muss auch die 1000 Meter gewinnen.

Sein letzter Zug war noch einmal ein besonderer Kraftakt. Aber er sicherte Andreas Dittmer gestern den Halbfinalsieg. Der 35-jährige Canadier-Spezialist steht nun am Sonntag im 500-Meter-Finale bei den Kanu-Weltmeisterschaften in Duisburg. Etwas anderes war auch gar nicht zu erwarten. Dittmer ist der große Favorit für Gold auf dieser Strecke, er hat in dieser Saison noch kein 500-Meter-Finale verloren.

Alles wunderbar eigentlich. Nur sitzt Reiner Kießler, der Chef-Bundestrainer der deutschen Kanuten, im Regatta-Haus Duisburg und sagt nüchtern: „Man weiß um das Problem.“ Das Problem ist, dass Dittmers 500-Meter-Erfolgsserie nicht reicht. Der Mann aus Neubrandenburg hat sich selber ein Denkmal gesetzt, mit drei Olympiasiegen, acht WM- und fünf EM-Titeln. So einer ist Opfer der eigenen Größe. So einer muss mehr bringen als Siege über 500 Meter.

Er muss auf seiner Spezialstrecke gewinnen, auf den 1000 Metern. Er war der Star über diese Strecke, unbesiegt zwischen den Jahren 2000 und 2004. Als ausgerechnet 2004, im olympischen Finale, der Spanier David Cal diese Siegesserie beendete, da galt das als schmerzhafter Ausrutscher. Ein Jahr später wurde Dittmer schon wieder 1000-Meter-Weltmeister.

Als Dittmer aber vor ein paar Wochen bei der Europameisterschaft als Sechster die 1000-Meter-Strecke beendete, da galt das als logische Folge diverser Probleme. „Im Hinblick auf Peking darf das nicht mehr passieren“, sagt Jens Kahl, der Sportdirektor des Deutschen Kanuverbandes (DKV). „Er muss sich wieder stärker aufs Training konzentrieren.“

Andreas Dittmer hat als Starkanute auch außerhalb der Szene Aufmerksamkeit erregt. Er hat nicht mehr bloß sportliche Termine, er wird für PR-Termine gebucht. Bei der Grünen Woche im Januar in Berlin durfte er zum Beispiel kochen. Zudem arbeitet der Bankkaufmann Dittmer als Schatzmeister des Trägervereins des Leistungszentrums Kienbaum und organisierte in Kienbaum eine Weihnachts-Tafel für Obdachlose. Alles sehr ehrenwert, findet Kahl, aber alles ging auch auf Kosten des Trainings.

Das Denkmal Dittmer begann schon 2006 zu bröckeln, gemessen an den hohen Ansprüchen. 14 Tage vor der WM blockierten ihn schlagartig Muskelschmerzen. „Wir haben ihn von Arzt zu Arzt geschickt, keiner fand eine Ursache“, sagt Kießler. Dittmer holte trotzdem noch Silber über 1000 Meter. Aber nur Silber. Gold war eingeplant. Nach Kießlers Ansicht reagierte der Körper damals auf die psychische Belastung. „Es hing sicher auch alles mit dem Stress zusammen.“

Ein bisschen räumt Dittmer das auch ein. „Ich hatte schon einige PR-Termine“, sagt er. Aber er redet auch von seinem Alter, von der Leistungsdichte der Konkurrenz, von Motivationsproblemen. Und Platz sechs bei der Europameisterschaft, das habe am Wettkampfstress vor der EM gelegen. „Schutzbegründungen“, sind das für Kießler. Aber er registriert genau, dass Dittmer sich jetzt mehr reinhängt, es geht auch um dessen Ehre. Der 35-Jährige hat jetzt einen Speedomat im Boot, der fehlte früher. Kurz vor der WM fuhr er auch noch im Stufentest eine hervorragende Zeit. Gleichzeitig nimmt er sich den Druck, indem er sagt: „Ich muss hier nicht zwei Titel holen. Ich muss mir nichts mehr beweisen.“

Vielleicht muss er sich nichts mehr beweisen, seinem Chef-Bundestrainer und dem DKV-Sportdirektor schon. Die wollen den Beweis, dass er wieder das Maximale über 1000 Meter herausholt. Heute zum Beispiel, im Finale. „Meiner Meinung nach“, sagt Kahl, „waren die 500 Meter für Andreas immer nur die Vorbereitung auf die 1000 Meter.“

Wie stark sich Dittmer bis Peking aufs Training konzentriert, muss sich zeigen. Für Ablenkung jedenfalls hat er schon gesorgt. Vor kurzem ließ er sich als Schatzmeister wieder wählen.

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