zum Hauptinhalt
Kei Nishikori zeichnet sich durch seine schnellen Beine und seine extrem starke Vorhand aus.

© afp

Kei Nishikori: In Japan längst ein Popstar

Kei Nishikori ist der erste Asiate in einem Grand-Slam-Finale. Unsere Tennis-Expertin Petra Philippsen hatte den Überraschungsfinalisten vor dem Halbfinale portraitiert.

Draußen auf dem großen Platz vor dem Arthur-Ashe-Stadium drängten sich am Mittwochabend längst einige tausend Fans, die Tickets für die eigentlich ab 19 Uhr beginnende Nightsession der US Open gekauft hatten. Doch drinnen, in der größten Tennisarena der Welt, waren Kei Nishikori und Stanislas Wawrinka mit ihrem Viertelfinal-Match noch immer nicht fertig, das bereits um 15 Uhr begonnen hatte. Niemand hatte erwartet, dass diese Partie in einen Marathon ausarten würde. Schließlich hatte Nishikori, der aktuelle Weltranglistenelfte aus Japan, schon im Achtelfinale 4:19 Stunden lang mit Milos Raonic gerungen und durfte erst um 2.26 Uhr morgens seinen Sieg bejubeln. Im Halbfinale trifft er nun auf den Weltranglistenersten Novak Djokovic.

Nishikori würde völlig ausgelaugt sein, so dachte man vor dem Viertelfinale. Doch am Ende dieses weiteren Marathons, der 4:15 Stunden andauerte, war Nishikori nicht eingebrochen. Dafür hatte er einen niedergeschlagenen Gegner hinterlassen, den er mit 3:6, 7:5, 7:6, 6:7 und 6:4 heimschickte. „Ich war nach dem letzten Match erst um 6 Uhr morgens im Bett. Das war neu für mich“, sagte Nishikori und fügte amüsiert hinzu: „Ich hatte heute einen kleinen Jetlag.“ Doch der konnte den 24-Jährigen nicht daran hindern, Geschichte zu schreiben. Denn nun ist er der erste Japaner, der es seit Bestehen der Profi-Tour ins Halbfinale eines Grand Slams geschafft hat.

In Japan war Kei Nishikori bereits lange vor den US Open 2014 ein Star

„Michael hat mich in mentalen Dingen viel stärker gemacht“, berichtete Nishikori im Vorfeld über seinen Trainer Michael Cheng.
„Michael hat mich in mentalen Dingen viel stärker gemacht“, berichtete Nishikori im Vorfeld über seinen Trainer Michael Cheng.

© rtr

„Diese beiden Matches wird Kei für sehr lange Zeit in Erinnerung behalten“, sagte Michael Chang, der ehemalige Weltranglistenzweite, der ihn seit Saisonbeginn betreut: „Und die Fans in Japan werden jetzt ziemlich aus dem Häuschen sein.“ In der Heimat genießt Nishikori längst den Status eines Popstars. Wenn er in Tokio landet, muss seinetwegen der halbe Flughafen abgesperrt werden. So groß ist der Hype um ihn. Doch diese Besuche sind selten, seit zehn Jahren lebt er in Amerika und fühlt sich dort inzwischen heimisch.

Nishikori hatte das Glück, dass er mit 13 Jahren vom tennisverrückten Sony-Gründer Masaaki Morita in dessen Förderprogramm aufgenommen und auf die Akademie von Trainer-Guru Nick Bollettieri nach Bradenton in Florida geschickt wurde. Das Zuhause im beschaulichen Shimane und vor allem die Eltern so früh zu verlassen, fiel Nishikori jedoch schwer. Sich im harten Drill des Trainingscamps zwischen hungrigen Konkurrenten aus 132 Nationen durchzubeißen, genauso. Er sprach kein Wort Englisch, weinte sich in den ersten zwei Jahren in Bradenton oft in den Schlaf. Doch Bollettieri erkannte früh, dass dieser Junge etwas Besonderes hatte. Auch wenn er mit 1,78m eigentlich ein wenig zu klein war, um ein Großer zu werden. Doch der immense Wille des jungen Japaners beeindruckte ihn, seine schnellen Beine und die extrem starke Vorhand ebenso.

Kei Nishikori: Mit "Projekt 45" in die Top Ten

Bollettieri überließ mit seinem Juwel nichts mehr dem Zufall, Nishikori wurde ein 14-köpfiges Team zur Seite gestellt, das sich fortan detailliert vom Training, über Ernährung, Medienschulung, Management bis hin zu Yoga um wirklich alles kümmerte. Und es zahlte sich schnell aus. Mit 18 Jahren gewann Nishikori bei seinem ersten ATP-Turnier in Delray Beach als Qualifikant auf Anhieb den Titel. „Ich will es in die Top Ten schaffen“, stellte er damals klar – da war er noch die Nummer 244 der Welt. Er sollte Recht behalten. Im Mai kletterte Nishikori auf Rang neun der Weltrangliste, wurde der erste Japaner in den Top Ten. Zuvor hatte es Shuzo Matsuoka Anfang der Neunzigerjahre zumindest bis auf Rang 46 gebracht. Nishikori wollte höher hinaus, trug daher lange den Spitznamen „Projekt 45“. Längst hat er seinen Mentor überflügelt.

In Japan ist Nishikori bereits ein Star, obwohl er bereits seit zehn Jahren in den USA lebt.
In Japan ist Nishikori bereits ein Star, obwohl er bereits seit zehn Jahren in den USA lebt.

© afp

Auch wenn Matsuoka inzwischen im 2007 errichteten Leistungszentrum von Tokio Talentsichtung und Förderung betreibt, ist Tennis in Japan ein zwar beliebtes, aber auch sehr teures Hobby. So ist Nishikori der einzige Vertreter in den Top 100. Doch durch seine Erfolge erhofft sich auch die Spielerorganisation ATP einen Boom auf dem lukrativen asiatischen Markt. Nun wartet Novak Djokovic im Halbfinale, doch Nishikori hat Chang in seiner Ecke, den Meister der mentalen Stärke. „Ich habe viele Tricks von ihm gelernt“, sagte Nishikori, „ich freue mich auf dieses Match.“

Folgen Sie der Tagesspiegel-Sportredaktion auf Twitter:

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false