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Sport: Kein Fußball den Rassisten

Der Skandal von Halle zwingt die Verbände zur Diskussion über ein ungelöstes Problem

Berlin - In den nächsten Tagen wird in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes ein Brief eintreffen. Er wird aus der Schweiz kommen, genauer aus der Zentrale des Weltverbands Fifa, und er wird den DFB auffordern, verstärkt gegen Rassismus in Fußballstadien vorzugehen und diesen Kampf vom 1. Juli an auch in den Regeln zu verankern. Das Schreiben ist eine Reaktion der Fifa auf den vor allem in Italien und Spanien immer offensichtlicher zutage tretenden Rassismus in Fußballstadien. „Ohne despektierlich wirken zu wollen: Der Brief hat für uns keine großen Auswirkungen“, sagt Harald Stenger, der Sprecher des DFB. „Die von der Fifa geforderten Maßnahmen sind bereits in der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB verankert.“ So müssen Vereine bei fremdenfeindlich, rassistisch oder extremistisch motivierten Vorfällen mit Geldstrafen bis zu 250 000 Euro, Platzsperren, Punktabzügen oder sogar mit Zwangsabstiegen rechnen.

Geholfen hat das Adebowale Ogungbure nicht viel. Der Nigerianer war am vergangenen Wochenende nach dem Spiel seines FC Sachsen Leipzig beim Halleschen FC in der NOFV-Oberliga Süd übel beschimpft und körperlich angegriffen worden. „Ich bin noch nie so behandelt worden wie hier in der Oberliga“, sagt Ogungbure. Eine Strafe mussten aber zunächst nicht diejenigen befürchten, die den 24-Jährigen angegriffen hatten, sondern der Nigerianer, weil er mit dem Hitlergruß auf die Provokationen reagierte. Die Ermittlungen gegen den Leipziger wurden allerdings eingestellt.

Die Ereignisse von Halle haben noch einmal gezeigt, dass rassistische und fremdenfeindliche Tendenzen nicht aus dem Fußball verschwunden sind. Das mag auch wegen des hohen Anteils ausländischer Spieler weitgehend für die Profiligen gelten, lässt sich aber von den unteren Spielklassen nicht unbedingt behaupten. Zwar sagt Wilfried Riemer, der Leiter des Spielbetriebs des zuständigen Nordostdeutschen Fußball-Verbands (NOFV): „Abgesehen von diesem Spiel kann ich mich an keine ähnlichen Vorfälle erinnern.“ Doch allein bei den Spielen des NOFV-Nord-Oberligisten BFC Dynamo kommt es immer wieder zu solchen Vorkommnissen. Beim Spiel gegen den SV Yesilyurt, der einen türkischen Hintergrund hat, segelten Fladenbrote aufs Spielfeld.

Je niedriger die Spielklasse, desto schwieriger ist der Kampf gegen Rassismus und gewaltbereite Fans. Man könne eben nicht bei jedem Dorfspiel 100 Polizisten aufbieten, sagt Wilfried Riemer. Ein Problem ist, dass unterhalb der Regionalliga keine bundesweiten Stadionverbote ausgesprochen werden können. So kann der Verein nur sein Hausrecht geltend machen, aber nicht verhindern, dass missliebige Anhänger bei Auswärtsspielen auftauchen. „Wir müssen versuchen, Stadionverbote logistisch in den unteren Ligen durchzusetzen. Seit Januar wird bei uns darüber diskutiert“, sagt Wilfried Riemer vom NOFV. „Wir haben den Vereinen auch nahe gelegt, sich bei Risikospielen gegenseitig über Personen mit Stadionverbot auszutauschen.“

Jörg Sitte hat schon vor einiger Zeit eine bundesweite schwarze Liste für unterklassige Fußball-Hooligans gefordert. Der Medienverantwortliche des Halleschen FC hat schwere Tage hinter sich. „Wir haben hier ein Fanprojekt aufgebaut, obwohl das in der Oberliga nicht mal Pflicht ist“, sagt er. „DFB-Präsident Theo Zwanziger hat uns noch vor kurzem als vorbildlichen Verein bezeichnet.“ Jetzt hat Zwanziger vom NOFV einen Bericht über die Ereignisse angefordert. „Wir nehmen dieses Spiel aufgrund der Brisanz als Aufhänger, weiter an Verbesserungen zu arbeiten“, sagt DFB-Sprecher Stenger. „Wir werden das auswerten und daraus unsere Schlüsse ziehen.“

Ein Schluss könnte sein, dass der HFC eine Strafe wegen nicht ausreichender Sicherheitsmaßnahmen erhält. Sitte kann darüber nur lachen. „Das war als Risikospiel eingeordnet, wir haben mehrere Sicherheitskonferenzen abgehalten, in denen wir Polizei, Ordner und unseren privaten Wachschutz instruiert haben.“ Er erzählt, dass der Verein beim Heimspiel gegen die Amateure von Energie Cottbus wegen ein paar mitgereister, als gewaltbereit eingestufter Fans sogar mehr Geld für Sicherheitsmaßnahmen ausgegeben habe, als er an Eintrittsgeld eingenommen habe. „Das Problem ist ein anderes: In den Fußballstadien haben wir einen Querschnitt der Gesellschaft“, sagt Sitte. „Wenn da etwas nicht stimmt, haben wir als Verein die Auswirkungen zu tragen.“ Die Arbeitslosenquote in Halle beträgt mehr als 20 Prozent, in anderen Regionen gerade im Osten sieht es nicht viel besser aus.

Die Frage ist: Wie geht der Sport mit diesen Leuten um, die „doch nicht einmal wissen, dass der Ball rund ist“, wie Wilfried Riemer vom NOFV sagt? Die das leicht verständliche Fußballspiel als Bühne nutzen, um sich abzureagieren und ihre Parolen unters Volk zu bringen? Ein rigides Vorgehen würde zwar kurzfristig helfen, das Problem langfristig aber lediglich verschieben, glaubt Jörg Sitte vom HFC. „Man muss eben immer wieder aufklärerisch tätig sein. Oder sollen wir vielleicht einen Gesinnungstest am Eingangstor machen?“

Christian Hönicke

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