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Kevin-Prince Boateng (rechts) hat für Sassuolo Calcio schon zwei Tore erzielt.

© imago/LaPresse

Kevin-Prince Boateng in Italien: Der Ronaldo von Sassuolo

Bei seiner Rückkehr nach Italien überzeugt Kevin-Prince Boateng auf Anhieb. Im Spitzenspiel fordert der Berliner am Sonntag Serienmeister Juve heraus.

Wie schnell sich die öffentliche Meinung im Fußball ändern kann, weiß kaum jemand besser als Kevin-Prince Boateng. Vom Bad Boy zum Redner bei den Vereinten Nationen, vom Dauerpatienten zum gefeierten Pokalsieger. Boateng bringt so schnell nichts aus der Ruhe, ein Vergleich kam dann aber doch überraschend. „Ich soll der Cristiano Ronaldo von Sassuolo sein?“, sagte Boateng im italienischen Fernsehsender „Sky“. „Vielleicht, aber dafür fehlen mir 500 Tore.“

So absurd es auch klingen mag, bezogen auf den Saisonstart in der Serie A schmeichelt der Vergleich eher Ronaldo als Boateng. Während der portugiesische Weltfußballer für Serienmeister Juventus Turin weiter auf sein erstes Tor wartet, läuft es bei dem 31 Jahre alten Berliner und seinem neuen Klub Sassuolo Calcio bereits exzellent. Der kleine Verein aus der Nähe von Modena in der Region Emilia-Romagna ist noch ungeschlagen und stand vor Beginn des vierten Spieltages mit sieben Punkten auf Platz zwei – großen Anteil am überraschend guten Saisonstart hat mit zwei Toren und durchweg starken Leistungen Boateng.

Als er im Sommer nach dem DFB-Pokalsieg ablösefrei von Eintracht Frankfurt nach Italien wechselte, sprachen Kritiker schon von einer Art Altersteilzeit: Ein bisschen Dolce Vita in der Nähe seiner in Mailand lebenden Familie, dazu der langsamere Fußball in der Serie A und ein zumindest in Deutschland weitgehend unbekannter Klub mit weniger Druck.

Mit Sassuolo will Boateng nach Europa

Nach drei Spieltagen spottet niemand mehr über den Wechsel. Ronaldo ist sicherlich der schillerndste Transfer dieses Sommers, Boateng aber vielleicht der cleverste. „Die Pläne in Sassuolo gehen weit über den Klassenerhalt hinaus“, sagte Boateng der „Gazzetta dello Sport“ in einem Interview. „Habt ihr die ersten drei Spieltage gesehen? Das ist unser Ziel. Wir wollen dahin, wo uns vielleicht niemand sieht.“

Kurz nach seiner Ankunft hatte Boateng angekündigt, dass er sich mit seinem neuen Klub für den Europapokal qualifizieren will. Das ist Sassuolo, das erst seine sechste Saison in der höchsten italienischen Liga bestreitet und in der vergangenen Spielzeit lange gegen den Abstieg kämpfte, bisher nur einmal gelungen.

Boatengs Optimismus ist aber durchaus berechtigt. Alimentiert von Giorgio Squinzi, Chef des italienischen Chemiekonzerns Mapei, setzt Sassuolo auf eine Mischung aus in großen Klubs ausgebildeten Talenten und erfahrenen Spielern wie Boateng oder Kapitän Francesco Magnanelli. Gerade dem Deutsch-Ghanaer kommt eine entscheidende Rolle zu. Als falsche Neun lässt er sich aus dem Sturmzentrum immer wieder fallen, sichert die Bälle und schafft Räume für die schnellen Außen. Mit seiner guten Technik sorgt Boateng immer wieder für Überraschungsmomente – wie beim 5:3-Sieg gegen Genua vor der Länderspielpause, als er per Konter ein Tor erzielte und ein weiteres mit einem wunderschönen Seitfallzieher vorbereitete.

Boatengs erster Song heißt "King"

Boateng ist für Sassuolo aber nicht nur als Fußballer ein Glücksfall. Auch das Image des kleinen Provinzklubs profitiert von ihm. Nach Cristiano Ronaldo gibt es in Italien nur wenige Spieler, die neben dem Platz so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen wie Boateng. Durch seine Ehe mit dem italienischen Showgirl Melissa Satta ist Boateng immer wieder in den Schlagzeilen, dazu kommt seine Liebe für Designermode, teuren Schmuck und Autos. In seinem ersten Hip-Hop-Song „King“, den er im Sommer veröffentlichte, bedient er genau dieses Bild. Dazu rappt er auf Englisch passend: „Ich lebe mein Leben wie ein König. Ich spüre keinen Druck, werde immer besser.“

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In Deutschland ist Boateng mit dieser großspurigen Art immer wieder angeeckt, südlich der Alpen ist sein Image deutlich besser. Seitdem er 2013 bei einem Freundschaftsspiel von Zuschauern mit Affenlauten beleidigt wurde und das Spielfeld verließ, ist er ein gefragter Gesprächspartner zum Thema Rassismus. Und auch sportlich entzückte er die Fans in seiner ersten Zeit beim AC Mailand von 2010 bis 2013 mit Traumtoren und einem Moonwalk bei der Meisterfeier im San Siro.

Für Sassuolo ist Boateng als Persönlichkeit eigentlich eine Nummer zu groß. Im Sommer spazierte er bei einem Sponsorenevent mit seinem Freund aus Mailänder Tagen Ronaldinho durch Berlin und kickte auf seinem alten Bolzplatz an der Panke. In den Sozialen Medien postet er Fotos mit Zinedine Zidane oder Nelson Mandela.

"Früher war ich nicht professionell genug"

Boateng ist sich bewusst, dass er durchaus mehr aus seinem Talent hätte machen können. „Früher war ich nicht professionell genug und hatte die falschen Leute um mich herum“, sagt Boateng. „Im Rückblick fühle ich schon, dass ich trotz meiner guten Karriere deutlich weiter nach oben hätte kommen können.“

Diese Möglichkeit hat Boateng am Sonntag (15 Uhr, live auf Dazn) zumindest tabellarisch. Mit einem Auswärtssieg würde Sassuolo die Spitzenposition übernehmen. Gegner ist kein Geringerer als Tabellenführer Juve mit Cristiano Ronaldo. „Das ist ein spezielles Spiel“, sagt Boateng. „Wir treffen in einem der wichtigsten Stadien Europas auf die besten Spieler der Welt. Was willst du mehr?“

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