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Sport: Kicker in Brokat

Das denkmalgeschützte Schlosshotel Grunewald ist Standquartier der deutschen Nationalmannschaft

Schon lange vor der Auslosung der einzelnen Gruppen stand fest, dass die deutsche Nationalmannschaft ihr Quartier in Berlin nimmt: Das Schlosshotel Vier Jahreszeiten in der Brahmsstraße in Grunewald wurde für die Zeit der Weltmeisterschaft komplett gebucht, mit allen 54 Zimmern. Außenstehende werden das Haus in diesen vier Wochen vermutlich kaum betreten können. Denn ein wichtiger Aspekt der Auswahlentscheidung liegt ja darin, dass es ohne allzu großen Aufwand komplett abgesperrt werden kann – das einstige Privatpalais des Grafen Walter von Pannwitz wird zum Privatpalais des Bundestrainers Jürgen Klinsmann, der vermutlich Anspruch auf eine der 12 neobarock eingerichteten Suiten erheben wird.

Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude stammt aus dem Jahr 1912. Pannwitz, der Rechtsberater Kaiser Wilhelms II, ließ es sich vom Vermögen seiner argentinischen Frau Catalina im Stil französischer Schlösser bauen und veranstaltete Feiern imperialen Ausmaßes für bis zu tausend Gäste. Nach dem Ersten Weltkrieg folgte Familie Pannwitz dem Kaiser ins Exil. Das Haus verwaiste, und Catalina Pannwitz verkaufte es nach dem Tod ihres Mannes ans Deutsche Reich.

Nach dem zweiten Weltkrieg fiel es in den Besitz der Bundesregierung, die es 1951 an den Hotelier Wolfgang Gehrhus verpachtete. Erster Gast war Konrad Adenauer, der es komplett buchte, später kamen Gina Lollobrigida, Robert Kennedy, Josephine Baker, Jayne Mansfield und die Rolling Stones; zur Fußball-WM 1974 stieg die australische Mannschaft hier ab.

Doch da in das Haus nichts investiert wurde, verlor es allmählich den Anschluss an die West-Berliner Spitzenhotels. Nach der Wende verkaufte es der Bund an eine Gruppe Privatinvestoren um den Hotelier Michael Zehden. Die neuen Eigentümer verpflichteten Modedesigner Karl Lagerfeld als Innenausstatter. Er hielt sich eng an die Originaleinrichtung und inszenierte pompöse Säle und Suiten mit viel Brokat, Plüsch und Stuck. Doch finanziell rentierte sich der Aufwand nicht: Die Besitzer betrieben das Haus zunächst in Eigenregie, schlossen dann einen Managementvertrag mit der Ritz-Carlton-Gruppe und betrieben das Haus auch kurze Zeit mit einer Regent-Lizenz. Ende 2003 wurde es an die Kölner Ebertz-Gruppe, den Dorint-Hauptaktionär, verkauft. Seitdem wird es als Einzelobjekt ohne Dorint-Logo geführt; als Direktorin wurde Uta Felgner verpflichtet, eine Seiteneinsteigerin ins Hotelgewerbe, die zuvor ein Autohaus geleitet hatte. Sie schaffte es, Ruhe in den Betrieb zu bringen. Die Prominenten haben dem Haus offenbar die Treue gehalten: Zuletzt waren Roger Moore, Woody Allen und Jacques Delors zu Gast. bm

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