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2012 schoss Didier Drogba den FC Chelsea in München zum Titel.

© dpa

"Kit's Corner" - die Kolumne zur Champions League: Als sich der Fußballgott blamierte wie selten zuvor

Der FC Chelsea gewann 2012 glücklich die Champions League. Unser Kolumnist hofft nicht, dass sich Geschichte wiederholt – ist sich da aber nicht so sicher.

Kit Holden schreibt ab sofort immer dienstags in den Spielwochen der Champions League aus britischer Sicht über Europas Fußball.

Die Champions League soll ein schwer zu gewinnender Wettbewerb sein. Vielleicht sogar der schwerste überhaupt. Auf jeden Fall so schwer, dass nicht wenige große Spieler ihre glänzenden Karrieren beendet haben, ohne den großen Europapokal ein einziges Mal angefasst zu haben. Man denke nur an Lothar Matthäus, Fabio Cannavaro oder den ersten und echten Ronaldo.

Trotzdem wird es für immer und ewig eine unbestreitbare Tatsache sein, dass der Champions-League-Sieger 2012 FC Chelsea hieß. Bis heute bleibt es ein Rätsel, wie es damals so weit kommen konnte. Wenn es den Fußballgott gibt, hat er sich selten so blamiert wie in jener Saison. In dieser Woche ist es wohl angebracht, auf den miesen Triumph der Blues zurückzublicken. Denn in dieser Woche startet Chelsea gegen Valencia in die Champions League (Dienstag, 21 Uhr, live bei Dazn), und gegen Valencia hat auch damals alles begonnen.

Am letzten Spieltag der Gruppenphase 2012 stand Chelsea in einer relativ leichten Gruppe kurz vor dem frühen Aus. In den beiden vorangegangenen Spielen gegen Genk und Bayer Leverkusen hatten sie lediglich einen Punkt geholt. Gegen Valencia mussten sie gewinnen.

Gewonnen haben sie auch, dank zweier Tore des grandiosen ivorischen Stürmers Didier Drogba. Er war es auch, der fünf Monate später das Finale entschieden hat. Gegen die Bayern erzielte er nicht nur das späte Ausgleichstor; er verwandelte auch im Elfmeterschießen den entscheidenden Versuch und bescherte den Bayern damit die Finalniederlage dahoam. Wer aber dazu neigt, bei dieser Erinnerung Schadenfreude gegenüber den Bayern zu spüren, sollte sich kurz an die Bilder nach dem Schlusspfiff erinnern. An die von Chelseas Eigner Roman Abramowitsch, wie er grinsend die Trophäe in die Luft streckte. Denn Chelseas Triumph war in erster Linie sein Triumph – und der seiner Fußballphilosophie.

Das Abramowitsch-Modell hat die Ära des finanziellen Wahnsinns im Fußball eingeläutet

Das Abramowitsch-Modell hat die Ära des finanziellen Wahnsinns im Fußball eingeläutet. Immer wieder wurden neue Stars gekauft, immer wieder neue Trainer verpflichtet. Und trotzdem holte die Mannschaft Titel. Auch 2012, als Chelsea in der Premier-League nur Fünfter wurde, aber die Champions League mit Ach, Krach und jeder Menge Glück gewann. Drei Monate nach dem Valencia-Spiel wurde Trainer Andre Villas-Boas entlassen. Im Achtelfinale stand Chelsea nach einer 1:3-Niederlage in Neapel wieder vor dem Aus, rettete sich aber im Rückspiel knapp unter neuem Trainer Roberto Di Matteo. So ging es in jeder Runde weiter.

Im Viertelfinale gegen Benfica kam Chelsea nur mit Glück durch, weil die Portugiesen unter ihrem Niveau spielten und Torwart Petr Cech brillierte – als Einziger seines Teams. Im Halbfinale ging es gegen die Übermannschaft des FC Barcelona mit ihrem Übertrainer Pep Guardiola. In diesem Duell konnte es nur einen Sieger geben. Es war Chelsea, weil der Fußballgott eben keine Gerechtigkeit kennt.

Barça verpasste als klar überlegene Mannschaft Dutzende Chancen, während der FC Chelsea mit gleichzeitig großartigem und grauenhaftem Konterfußball sein Glück erzwang. Im Halbfinale verschoss Lionel Messi einen Elfmeter, im Finale Arjen Robben. Egal, was man von den beiden FCBs hält: Chelseas Triumph bleibt eine der entmutigendsten Außenseitergeschichten, die der Sport je geschrieben hat. Die große Barça-Ära hatte es auf jeden Fall nicht verdient, von so einer Mannschaft beendet zu werden. Und wenn Roberto Di Matteo schon den Champions-League-Titel gewinnt, warum dann bitte nicht mit Schalke 04?

Auch in dieser Saison steht Chelsea übrigens wieder geschwächt da. Wieder wird das Team von einem Ex-Spieler (Frank Lampard) mit wenig Erfahrung trainiert. Und nach einer 0:4-Niederlage gegen Manchester United und einem Remis gegen Aufsteiger Sheffield sind die Ergebnisse in der Liga bisher ähnlich schwach wie 2012. Mein Tipp also: In dieser Saison gewinnt Chelsea wieder die Champions League. Wieder völlig unverdient. Dieser Wettbewerb ist eben doch gar nicht so hart, wie wir manchmal denken.

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