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Sport: Klare Antwort

Betty Heidler wirft 77,40 Meter, siegt beim Istaf – und überwindet die Enttäuschung über WM-Silber

Berlin - Betty Heidler ließ ihr Handtuch direkt vor dem Ring fallen. Zwei feste Schritte, dann platzierte sie sich am Ausgangspunkt. Langsam rotierte sie mit dem Hammer, sie wurde immer schneller, und dann flog der Hammer durchs Olympiastadion. Er flog und flog, und noch als er in der Luft war, ging ein Raunen durchs Stadion, schnell abgelöst durch begeisterten Beifall. Der Hammer hatte sich nach 76,99 Metern in den Rasen gebohrt.

Betty Heidler von der LG Frankfurt hatte schon im ersten Versuch ihre Antwort gegeben. „Beim Istaf werde ich besonders motiviert sein“, hatte die 27-Jährige gesagt. „Ich möchte noch einmal ein bisschen mehr zeigen.“ In Berlin, das war klar, würde es um die Ehre gehen. Heidler wollte die Saison mit einer Weite beenden, die ihr, der Weltrekordlerin, würdig ist. Das Istaf sollte die Bühne sein, auf der Betty Heidler zeigt, dass ihre Silbermedaille bei der WM in Daegu mit 76,06 Metern ein blöder Ausrutscher war.

Gestern bei ihrem zweiten Versuch kam der Beifall schon, als der Hammer noch in der Luft war, und als er dann im Rasen lag, steigerte sich der Applaus um einige Dezibel. 77,40 Meter. Heidler konnte es noch nicht wissen, aber das war die Siegesweite. Die Russin Tatjana Lysenko, die Weltmeisterin von Daegu, wurde abgeschlagen Zweite: mit 74,67 Metern.

Betty Heidler beherrschte diesen Wettbewerb, von der ersten Sekunde an. Nach jedem Versuch schritt sie fast hoheitsvoll aus dem Ring, sie sah aus, als würde sie eine Parade abnehmen. Erst nach ein paar Sekunden winkte sie kurz in die Kamera.

Nach dem sechsten und letzten Versuch, nachdem sie noch mal 74,88 Meter geworfen hatte, löste sie sich aus ihrer Rolle als sportliche Königin. Sie winkte schon im Ring den Zuschauern, schnappte sich eine Deutschlandfahne und ihre Vereinskollegin Kathrin Klaas, die mit 74,58 Meter Dritte geworden war, und posierte vor den Kameras. Heidler hatte am Freitag beim Wettkampf im historischen Olympischen Dorf in Elstal bei Berlin 77,53 Meter geworfen und gewonnen, sie hatte gestern gewonnen, so muss das aus ihrer Sicht sein.

„Ich kann alle schlagen, das hat man heute gesehen“, sagte Heidler, lächelnd, zufrieden, immer noch die Deutschlandfahne um die Schultern, aber auch mit einem Selbstbewusstsein, das nicht aufgesetzt wirkte. Sie hatte im Mai mit 79,42 Metern ihren Weltrekord geworfen, sie hatte in dieser Saison alle Wettbewerbe gewonnen, zu denen sie angetreten ist. Fast alle: Daegu war die Ausnahme. Und das ausgerechnet wegen eines technischen Patzers. „Ich war mit dem Oberkörper viel schneller als mit den Beinen“, erklärte sie gestern. Dabei hatte sie mit ihrem Trainer Michael Deyhle in den Wochen vor der WM noch in aller Ruhe daran gearbeitet. „Wir haben die Würfe noch einmal mit den Biomechanikern analysiert“, hat Heidler vor der WM erzählt. Mängel konnten die Experten aus Leipzig nicht entdecken.

Sie hatte mit den Experten aber auch ihren Weltrekordwurf untersucht. „Da gab es noch technische Mängel“, sagte Heidler. „Nicht viele, aber noch so viele, dass es Spaß macht, weiter an sich zu arbeiten.“ Bedeutet das, 80 Meter sind möglich? Ja, erwiderte Heidler, das bedeutet es. Aber gestern waren auch 77,40 Meter genug. Mit dieser Weite wäre sie in Daegu Weltmeisterin geworden. Frank Bachner

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