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Der Ball ruht. Auch Inter Mailands Spieler wollen streiken. Foto: Reuters

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Sport: Klassenkampf der Kicker

Der Streik zeigt die Probleme des Fußballs in Italien

Es brodelt in Italiens Fußball. Der Champions-League-Sieg von Inter Mailand lieferte nur ein Zwischenhoch im Mai. Sportlich und organisatorisch befindet sich der „Calcio“ auf Talfahrt, angesichts der Streikdrohung für den kommenden Spieltag werden strukturelle Mängel offensichtlich. „Die streiken doch schon heute“, moserten die Blogger von „Calciomalato.com“ (kranker Fußball) angesichts der Auftritte der Europa-League-Vertreter ihres Landes. Drei von vier Klubs sind bereits ausgeschieden. In der Champions League sieht es zwar besser aus: Inter und AC Mailand sind für das Achtelfinale qualifiziert, und AS Rom hat gute Aussichten. Aber auch sie konnten nicht verhindern, dass Italien in der Nationenwertung der Uefa schwach abschneidet und in der kommenden Saison den vierten Startplatz in der Champions League wohl an die Bundesliga abgibt.

Zudem gerät der Neuaufbau des Nationalteams ins Stocken, vor allem wegen Antonio Cassano. Der ist derzeit bei Sampdoria Genua suspendiert, weil er den Klub- Präsidenten übel beleidigt hatte. Der will Cassano nun rausschmeißen, muss sich aber bis zur Entscheidung eines Schiedsgerichts am 10. Dezember gedulden. Solange Cassano suspendiert bleibt, kann Nationaltrainer Cesare Prandelli wegen des Ethik-Kodexes der Nationalelf nicht auf seinen Wunschregisseur zurückgreifen.

Das Streikvorhaben der Spielergewerkschaft AIC könnte man nun durchaus als Flankenschutz für Cassano begreifen. Die Profis wehren sich gegen ein neues Vertragswerk, das die Spieler künftig verpflichten soll, sich auch außerhalb der Trainings- und Wettkampfzeiten nach den ethischen Regeln der Vereine zu verhalten. Das klingt nach Nordkorea, finden die Gewerkschafter. „Wir sind keine Objekte, wir lassen uns nicht so behandeln“, protestierte Massimo Oddo. Der frühere Weltmeister, auch einst bei Bayern München aktiv und aktuell Politologiestudent, ist einer der Köpfe der Streikwilligen. Sie lehnen auch den Vorstoß der Vereine ab, aussortierte Spieler von einem Assistenten trainieren zu lassen und ihr Gehalt um 50 Prozent zu reduzieren, wenn sie sich weigern, zu einem Verein zu wechseln, der ihnen einen finanziell gleichwertigen Vertrag bietet.

Die Klubs wollen auf diese Art ihre übergroßen Kader reduzieren. Die Zeche für die früheren Zockereien auf dem Transfermarkt müssen dabei allein die Spieler zahlen, finden die Streikenden. Das große strukturelle Problem des italienischen Fußballs bleibt unbearbeitet: Er ist nach Angaben der Unternehmensberatung Deloitte zu 60 bis 70 Prozent von den Fernseheinnahmen abhängig. In Deutschland macht das Fernsehgeld nur ein Drittel der Einnahmen aus.

Nun droht der 16. Spieltag wegen des angekündigten Streiks auszufallen. Die italienischen Vereine hängen aber am Tropf des Fernsehens, daher nimmt der Druck auf die Streikfront zu. Als „sinnlos und unverantwortlich“ bezeichnete Liga-Präsident Maurizio Beretta den Streik. Dass es sich bei den Streikenden nicht nur um launische und egoistische Millionäre handelt, stellte der überzeugte Kommunist Cristiano Lucarelli, derzeit in Neapel aktiv, fest: „Die AIC repräsentiert 2800 Spieler und nicht nur die 20 bis 30, die Millionen verdienen. Viele bekommen nur rund 1100 Euro. Wir erheben uns für die schwächeren Sektionen in diesem Beruf“, sagte er und drohte: „Die Spieler waren noch nie so vereint wie jetzt.“ Wenn nächsten Sonntag Prekariat und Millionäre gemeinsam gegen die Vereine streiken, hätte dies tatsächlich Klassenkampfcharakter.

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