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Sport: Kleine Risse in der Karriere

Die Fußballerin Nia Künzer ist verletzt – und bleibt gelassen

Berlin. Als ihr Kreuzband zum vierten Mal gerissen war, zum zweiten Mal im rechten Knie, wollte Nia Künzer niemanden sehen, nicht einmal ihren Arzt. „Ich hatte keine gute Vorahnung", erzählt die Fußballnationalspielerin des 1.FFC Frankfurt. Vor der Kernspintomographie „habe ich mir ein paar Tage Auszeit genommen“. Sie vergrub sich nicht heulend in ihrem Bett, suchte aber Ablenkung und Trost „von diesem Albtraum" fernab vom Fußball, bei ihrem Pädagogik-Studium.

Am 12. Oktober, in der 98. Minute des WM-Finales von Carson, Kalifornien, war Nia Künzer ganz oben. Zehn Minuten nach ihrer Einwechslung köpfte sie das Golden Goal gegen Schweden. WM-Titel für Deutschland, Tor des Jahres für Künzer. Am 7. Dezember, im Bundesligaspiel gegen den FSV Frankfurt, war Nia Künzer ganz unten. Sie blieb im Rasen hängen, verdrehte sich das rechte Knie. Alles aus, auf brutale Weise angekommen im Alltag.

Operiert wird die Heldin aus dem Nichts erst in einer Woche. Als klar war, dass sie die Olympischen Spiele in Athen ohnehin verpassen würde, setzte sie vor der erneuten Schinderei andere Prioritäten. „Ich wollte Weihnachten nicht im Krankenhaus liegen und auch nicht meinen Urlaub verschieben.“ Also flog Künzer erst einmal mit kaputtem Knie nach Ägypten, erholen und Kraft tanken für die erneute monatelange Physiotherapie. Am Sonntag feiert sie ihren 24. Geburtstag – erneut ein Grund, den Operationstermin noch ein Stück nach hinten zu schieben. Erst dann fährt sie ins Krankenhaus.

Wohl auch wegen ihres außergewöhnlichen mentalen Aufbau-Programms hat die Abwehrspielerin inzwischen „den Schock überwunden“. Die Gedanken vom drohenden Karriereende, die sich einschlichen, als die Schmerzen nachließen, quälen sie nicht. Sie hat gelernt, „nach der Operation nicht in großen Zeitabschnitten zu denken. Erst will man wieder laufen lernen, dann wieder joggen.“ Siegfried Dietrich, Manager von Künzer und dem 1. FFC Frankfurt, traut der Spielerin ein erneutes Comeback zu, „sie ist willensstark, ehrgeizig und realistisch.“

Neben diesen Eigenschaften helfen ihr die Erinnerungen an die WM durch das nächste halbe Jahr. „Was ich erleben durfte, war Wahnsinn. Das kann mir keiner mehr nehmen.“ Nicht den begeisternden Empfang am Frankfurter Römer, nicht den Sport-Bambi und die Ehrung als Mannschaft des Jahres, nicht den Empfang bei Bundeskanzler Gerhard Schröder („Der Kanzler war locker, das Essen lecker“). Nia Künzer ließ sich auf vieles ein – doch der Playboy blitzte ab. „Klar mag ich erotische Fotos. Aber es ist etwas anderes, wenn sie nicht nur mein Freund sehen kann“, sagt die Blondine.

Zwei Werbeverträge hat sie seit der WM abgeschlossen, einen mit einem Wettanbieter, einen mit einem Frottierwarenhersteller. Beide Verträge wurden erst nach dem Kreuzbandriss unterzeichnet. Natürlich wollen die Sponsoren sie spielen sehen, doch unter Druck gesetzt, besonders schnell wieder fit zu werden, fühlt sie sich nicht. Nia Künzer sagt: „Ich bin immer noch Herr über meinen Körper.“ Trotz vier Kreuzbandrissen.

Helen Ruwald

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