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Sport: Klettern als Staatsgeheimnis

Beim Treffen des Nationalteams verfolgt Klinsmann einen Abschottungskurs

Sechseinhalb Jahre ist es her, dass die deutsche Nationalmannschaft sich kräftig blamiert hat. Doch sie tat es in dem Bewusstsein, einem höheren Auftrag zu dienen. Im Sommer 1999 mussten Deutschlands Fußballer mitten in der Saisonvorbereitung am Confed-Cup in Mexiko teilnehmen, um für die Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 gute Stimmung zu machen. „Wenn ich Ehrenkarten für die WM 2006 bekomme, freue ich mich darüber, dass ich bei diesem Turnier dabei war“, hat Nationaltorhüter Jens Lehmann damals gesagt, nachdem die Deutschen 0:2 gegen die USA verloren hatten. Sein Einsatz fürs Vaterland hat sich wohl tatsächlich ausgezahlt. „Es gibt eine begrenzte Anzahl von Tickets“, hat Bundestrainer Jürgen Klinsmann den Nationalspielern in Düsseldorf, bei ihrer ersten Zusammenkunft im WM-Jahr, mitgeteilt.

So weit die gute Nachricht. Die weniger gute: Auch die Nationalspieler müssen die Karten, die sie Familie oder Freunden zukommen lassen wollen, bezahlen. Das ist der Unterschied zu den drei Weltmeisterschaften, die Klinsmann als Spieler erlebt hat. „Das mit den Karten war bei uns nie ein richtiges Problem“, sagt er. Doch bei der Weltmeisterschaft in Deutschland wird alles anders sein, Karten für die WM-Spiele sind ein kostbares Gut. Das haben auch die Nationalspieler inzwischen erfahren. „Der Schulkamerad aus der vierten Klasse macht sich auf einmal wieder lebendig und will eine Karte haben“, sagt Klinsmann.

So erleben auch die gewöhnlich gut abgeschotteten Nationalspieler ein wenig von der Überdrehtheit rund um die WM, die das Land längst erfasst hat. Das Treffen in Düsseldorf sollte die Fußballer ein bisschen einstimmen auf das, was sie bis zum Sommer erwartet. 28 Spieler hatte Klinsmann nach Düsseldorf eingeladen, nur Jens Lehmann und Robert Huth fehlten, weil sie von ihren Vereinen keine Freigabe erhalten hatten. Die Nationalspieler wurden über die Termine in Kenntnis gesetzt, sie arbeiteten zudem die wichtigsten Sponsorentermine ab, „mit Geduld und Lockerheit“, wie der Bundestrainer berichtete, „damit ist es weg vom Tisch“.

Spätestens ab dem am 14. Mai, wenn Klinsmann seinen 23 Mann starken Kader für die WM bekannt geben wird, soll sich die Mannschaft ausschließlich auf den Titelgewinn konzentrieren. Ohnehin verfolgt der Bundestrainer einen Kurs der Abschottung. Ja, er habe Einzelgespräche geführt, „mit wem, sage ich Ihnen nicht“. Selbst banale Informationen aus dem Kreis der deutschen Fußballelite besitzen inzwischen den Status von Staatsgeheimnissen. Zwar berichtete der Bundestrainer, dass die Nationalspieler am Montagabend zum gemeinsamen Klettern in Düsseldorf unterwegs und anschließend italienisch essen waren, der Geschäftsführer der Kletterhalle wollte jedoch nicht einmal die Anwesenheit der prominenten Gäste bestätigen: „Da müssen Sie die DFB-Pressestelle fragen.“

Da grenzt es fast an ein Wunder, dass die Nationalspieler während der WM einem Fremden permanenten Zugang zu ihrem erlauchten Kreis gestatten. Der Regisseur Sönke Wortmann („Das Wunder von Bern“) wird die Nationalmannschaft mit der Kamera begleiten, wie er es schon während des Confed-Cups im vergangenen Sommer getan hat. „Der Mannschaft hat das sehr gefallen“, berichtete Klinsmann. Ob aus dem Material, das Wortmann während der WM aufnimmt, tatsächlich ein Film wird, hängt jedoch nicht nur von der Zustimmung der Spieler ab. Weltmeister müssen sie dafür wohl auch geworden sein.

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