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Hochspannung. Hertha warb in Lichtenberg um neue Sympathien. Foto: contrast

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Sport: Klingeln in Lichtenberg

Hertha BSC will den Ostteil der Stadt entdecken und schickt die Mannschaft mit Ball und Mikrofon auf Reise

Berlin - Gar nicht so übel der Osten. Und so grün! Lewan Kobiaschwili setzt einen Fuß auf den kurz getrimmten Rasen, er dreht sich rum und fragt in die Runde: „Ist das wirklich der Platz von Sparta Lichtenberg?“ Allgemeines Kopfnicken. „Also, so einen guten Platz haben wir für unsere Nationalmannschaft nicht.“

Der Fußballprofi Lewan Kobiaschwili kommt aus dem fernen Osten Europas. Aus Georgien, wo man andere Sorgen hat, als der Nationalmannschaft kurzgetrimmte Rasenplätze zur Verfügung zu stellen. Sein Verein hat es an diesem Nachmittag mehr mit dem nahen Berliner Osten. Hertha BSC, in Berlin immer noch bevorzugt als West-Verein wahrgenommen, will sich einem breiteren Publikum öffnen. Da gibt es einiges aufzuarbeiten aus der Zeit, da sich die Granden vom Olympiastadion mehr um ihre Popularität in London oder Barcelona sorgten denn um die vor der Charlottenburger Haustür. Auch was den Kontakt zur Basis betrifft, ist das unfreiwillige Comeback in der Zweiten Bundesliga für Hertha BSC ein Neuanfang.

Das öffentliche Training auf dem Platz an der Fischerstraße ist kein schlechter Einstieg. Lichtenberg, das klingt fast so östlich wie Marzahn, ist aber nicht so weit weg. Der Trainingsplatz vom SV Sparta liegt im Ortsteil Rummelsburg, weit weg von der früheren Stasi-Zentrale an der Normannenstraße oder dem Weitlingkiez, vom dem der alte West-Berliner weiß, dass da mal irgendwas mit Neonazis war. Rummelsburg ist das gute Lichtenberg, mit den vielen neuen Familien in den vielen neuen Eigentumswohnungen am See. Rummelsburg ist der Prenzlauer Berg von Lichtenberg.

Vor dem Platz steht ein öffentlich-rechtlicher Übertragungswagen, drinnen hat die private Konkurrenz eine Bühne aufgebaut. Herthas Trainer Markus Babbel hat das Training für 16 Uhr angesetzt. Doch weil der Busfahrer den Vorfeierabendverkehr überschätzt, biegt er schon um kurz nach drei auf das Vereinsgelände. Es fängt an zu regnen. Was soll’s, sagt Babbel und fängt zwanzig Minuten früher an. Schon jetzt säumen gut 300 Schaulustige den Platz. Alteingessene Fans und neugierige Lichtenberger halten sich die Waage. Alle zusammen unterstützen sie eifrig Spartas Nachwuchsarbeit, die an jedem verkauften Bier mit einem halben Euro partizipiert.

Die Fußballspieler traben über den Platz, Herthas verletzter Profi Patrick Ebert verkündet via Lautsprecher, dass Trainer Babbel „einen guten Job macht“, und an der Seitenlinie herzt das unförmige Maskottchen Herthinho kleine Kinder. Der Regen verzieht sich, der Platz füllt sich. Auch der Pressesprecher vom 1. FC Union schaut vorbei, um zu überprüfen, was der West-Verein da so anstellt im Ost-Berliner Revier. Hertha lässt bunte Autogrammkarten verteilen. Der Präsident vom gastgebenden SV Sparta tritt ans Mikrofon und bekundet, er sei „stolz, dass Hertha bei uns mit dieser Kampagne anfängt, das könnte ja vielleicht mal eine Tradition werden“.

Eine gute Stunde lang laufen, dribbeln und flanken die Fußballprofis über den Lichtenberger Rasen, dann kommt der Regen und die Spieler laufen in die Kabine. Der von Hertha gestellte Conferencier sagt, die Spieler würden nun selbstverständlich die bunten Autogrammkarten signieren, gern auch auf „Schals, Trikots und BHs – ähm nein, das lieber doch nicht“. Der Verteidiger Christian Lell gibt noch ein Fernsehinterview, worauf sich so viele Fans vor ihm aufbauen, dass er sich kaum den Weg bahnen kann zurück in die Kabine.

Beim Weg zurück in den Bus wiederholt sich das Procedere, und es dauert noch ein halbes Stündchen, bis es zurück geht Richtung Olympiastadion. Markus Babbel steigt auf halber Strecke aus, um Herthas zweiter Mannschaft im Spiel gegen Türkiyemspor zuzuschauen. Gespielt wird an der Cantianstraße in Prenzlauer Berg, wo der Osten so westlich ist wie sonst nur Charlottenburg.

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