zum Hauptinhalt

Sport: Klinsmann kocht

Der Bundestrainer kritisiert seine Kritiker

Die Augen von Jürgen Klinsmann waren unruhig, sein Blick gereizt. In den kurzen Redepausen spannte er seine Unterkieferknochen so gewaltig, als wolle er Steine zermahlen. Der 41-Jährige musste etwas in sich unterdrücken, obwohl der Zeitpunkt nicht ungeeignet schien, so kurz nach dem 4:1-Sieg über die USA. „Was sich in den letzten Wochen abgespielt hat, was an Stimmung gemacht wurde, war teilweise unter der Respektsgrenze“, sagte der Bundestrainer und wirkte ein bisschen wie Gerhard Schröder in der Elefantenrunde nach dessen persönlicher Aufholjagd bei der letzten Bundestagswahl. „Man weiß, wo seine Feinde sind und lernt sie zu beobachten“, sagte ein aufgewühlter Klinsmann. „Deswegen hat uns dieser Sieg gut getan.“

Man könnte diesen mitternächtlichen Auftritt des Bundestrainers auch als die verbale Fortsetzung jenes spitzen Trittes verstehen, mit dem der eigenwillige Stürmer vor knapp neun Jahren eine Werbetonne am Spielfeldrand durchbrach. Diesmal fühlte er sich von „bestimmten Medien“ angegriffen und verletzt. Er saß im spärlich ausgeleuchteten Zelt eines Sponsors vor mehreren hundert Journalisten aus aller Welt und holte zu einem ganz persönlichen Befreiungsschlag aus.

Je länger er redete und je weiter er ausholte, desto mehr fragte man sich im Auditorium: Wann nennt er die beim Namen, die ihm „immer wieder Knüppel zwischen die Beine schlagen“, wie er es gleich an verschiedenen Stellen ausführte. Er adressierte seine Kritik nicht, aber so sicher seine Wut damals Trapattoni galt, dem Trainer des FC Bayern, der es gewagt hatte, ihn auszuwechseln, so peitschte er seine Worte in Richtung einer Zeitung, zu der er schon als Spieler nicht das herzlichste Verhältnis pflegte. Seit seiner Amtsübernahme im Sommer 2004 herrscht eine offene, gegenseitige Abneigung. Mit Klinsmann als Bundestrainer hat das Springer-Flaggschiff an Einfluss auf die wichtigste deutsche Mannschaft verloren. Weder „Bild“-Intimus Matthäus hatte die Zeitung durchsetzen können, noch Beckenbauers WM-Assistent von 1990, Holger Osieck. „Wir sind nicht mit gewissen Medien im Boot und machen nicht die Arbeit, die sich dieses Medium wünscht“, hatte Klinsmann recht bald nach seiner Amtseinführung gesagt.

Die erste Attacke gegen Klinsmann wurde kurz vor dem Confed-Cup unternommen. Nachdem sich die Mini-WM als Publikumserfolg herausstellte, polterte Klinsmann aber zurück. Schon früher konnte er für sich sagen: Basta, es reicht. „Jetzt kann ich es für alle sagen.“ Knapp drei Wochen vor der WM lerne man eben „die Leute“ noch besser kennen, mit denen man in den nächsten Monaten zusammenarbeiten muss, „oder eben nicht“.

In den vergangenen Tagen erreichte die Kritik einen neuen Höhepunkt. Zur ewigen Wohnortdebatte und der offenen Torwartfrage kamen das Italienspiel, seine Abwesenheit beim Fifa-Workshop und der Umgang mit Wörns. „Da wurde Politik gegen einen gemacht, das war respektlos“, sagte er. Klinsmann redete sich in Dortmund in Fahrt. Wenn das Spiel gegen die USA nicht so ausgegangen wäre, hätten „bestimmte Medien allein durch puren Pessimismus und negative Aggression die Weltmeisterschaft riskiert“.

Jürgen Klinsmann wirkte angespannt. Kein Zwinkern mit den Augen, keine Lächeln. Innerlich rang er mit sich. Nun hofft er, dass der Sieg der Mannschaft helfen werde. „Den Elan und die Identifikation für Deutschland lassen wir uns nicht nehmen“, sagte er und verschwand ins Dunkel der Nacht.

Zur Startseite