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Sport: Kniefall vor dem Meister

Hertha BSC wertet das 2:4 beim FC Bayern München als Teil des Ausbildungsprogramms für seine jungen Spieler

Berlin - Mixed Zone heißt in Fußballstadien der Bereich, in dem die Spieler auf die Journalisten treffen. Verschwitzt keuchen sie direkt nach dem Abpfiff kurze Sätze in die Mikrofone. Im vornehmen München, in der schicken Allianz-Arena, ist das anders: Dort sind die Spieler bereits frisch geduscht und haben die ersten Worte ihres Trainers empfangen, bevor sie sich den Fragen stellen. So lag die desolate erste Halbzeit von Hertha BSC bereits zwei Stunden zurück, als die Berliner die 2:4-Niederlage beim FC Bayern München erklären mussten. Vielleicht betrachteten die Herthaner die ersten 45 Minuten auch deshalb abgeklärt. „Das war eine Lehrstunde, aber wir werden aus den Fehlern lernen“, sagte der 23-jährige Sofian Chahed.

Herthas Manager Dieter Hoeneß gestand seinen jungen Spielern Fehler zu. „Sonst dürfen wir nicht diese Politik machen.“ Er meinte unter anderem den 19-jährigen Patrick Ebert, der vor dem 0:2 einen Riesenfehler machte, wie er selbst einräumte. Dieter Hoeneß konnte sich jedoch nicht erklären, warum auch die erfahrenen Spieler in der ersten Halbzeit zu weit weg von ihren Mitspielern standen und die Bayern vor dem Strafraum nach Belieben kombinieren ließen. „Nach der Halbzeit war ich noch stinksauer“, sagte Hoeneß. Mit dem 0:2 zur Pause nach Treffern von Roy Makaay und Willy Sagnol war Hertha sehr gut bedient.

Auch am Tag nach dem Spiel analysierte Herthas Trainer Falko Götz diese erste Halbzeit ähnlich wie Mannschaft und Manager. Als Teil einer Niederlage beim Deutschen Meister, die dem Ergebnis nach keine Blamage ist. Und als Teil jenes Jugendprojekts, das beim Berliner Bundesligisten in diesem Jahr im Mittelpunkt steht.

Die erste Halbzeit offenbarte die Gefahren der Berliner Nachwuchspolitik. Mutiger Erlebnisfußball mit jungen Spielern war so lange von Erfolg gekrönt, wie genügend erfahrene Spieler das Gerüst der Stammelf stellten. So konnte sich Kevin-Prince Boateng im Schatten von Yildiray Bastürk ins Team spielen. Und Patrick Ebert überraschte bei Kurzeinsätzen wohl auch ein wenig sich selbst mit selbstbewusstem Stil und präzisen Flanken. Seit sich jedoch am vierten Spieltag Herthas beste Fußballer, Gilberto und Bastürk, verletzt haben, hat Hertha nicht mehr gewonnen. Aus vier Spielen in Bundesliga und Uefa-Cup holte Hertha nur zwei Unentschieden.

Denn nun müssen die jungen Spieler von Beginn an spielen und Verantwortung tragen. In München waren sie dieser Aufgabe nicht gewachsen. Der 19-jährige Boateng war auf der Bastürk-Position in der Zentrale überfordert und spielte erst auf der linken Mittelfeldseite besser. Der ebenfalls 19 Jahre alte Ebert wird von Spiel zu Spiel nervöser. „Die Euphorie bei ihm ist verflogen“, befand Herthas Trainer Falko Götz. Auch Chahed gelingt derzeit wenig. „Die jungen Spieler sind noch nicht in der Lage, das Niveau über längere Zeit zu halten.“ Innenverteidiger Josip Simunic musste in München mit Fieber spielen. Auch deshalb, weil Trainer Falko Götz dem 22-jährigen Christopher Samba einen Einsatz wohl nicht zutraute.

Hertha ist durch die Niederlage in der Bundesliga-Tabelle ins Mittelfeld zurückgefallen. Das entspricht den Eindrücken der bisherigen Spiele und schmeichelt immer noch der ersten Halbzeit von München. Erst als Götz nach dem dritten Treffer durch Pizarro den 28-jährigen Ellery Cairo für Ebert eingewechselt hatte, kam Hertha noch einmal ins Spiel zurück. Malik Fathi und Marko Pantelic brachten die Berliner noch einmal heran. Doch Lukas Podolski stellte mit seinem Treffer zum 4:2 ein Ergebnis her, dass besser zur Überlegenheit der Bayern passte.

Hertha wartet weiter sehnsüchtig auf Bastürk, der gegen Mönchengladbach am nächsten Samstag wieder spielen soll. Immerhin haben die 20 schwachen Minuten der Münchner den Berlinern einen Teil des Selbstbewusstseins zurückgegeben, das ihnen in der ersten Halbzeit abhandengekommen war. Für Boateng, so Hoeneß, „kann so ein Spiel wichtiger sein als 1000 Worte“. Patrick Ebert rechnete sogar vor, dass die zweite Halbzeit 2:2 ausgegangen sei. Und der ansonsten so besonnene, 30 Jahre alte Pal Dardai vermutete, dass das Spiel anders verlaufen wäre, wenn Hertha nicht die vier Tore kassiert hätte. Das hätte er auch ungeduscht nicht schöner sagen können.

Stefan Tillmann

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