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Sport: Kohlschreiber sprengt das Kollektiv

Im deutschen Daviscup-Team bahnt sich ein Streit um die Verteilung der Prämien an

Berlin - Scheint eine Aufgabe besonders schwierig, beschwören Sportler oft den Mannschaftsgeist. Gemeinsam werde man es schon schaffen, zusammen sei man schließlich stark, beten sie sich dann vor, in der Hoffnung, dass sich die Phrasen bewahrheiten mögen. Wenn die deutschen Daviscup-Spieler in vier Wochen (11. bis 13. April) in Bremen auf die schier übermächtigen Spanier treffen, werden sie eine Menge Teamgeist brauchen, um überhaupt eine Chance zu haben. Doch immer mehr deutet darauf hin, dass dieses Team alles andere als ein eingeschworenes Kollektiv ist. Hier wird nicht bedingungslos für- sondern gegeneinander gekämpft.

Auslöser der jüngsten atmosphärischen Störungen ist Philipp Kohlschreiber, seit dem Auftakt in Braunschweig gegen Südkorea die neue Nummer eins im Team. Genau diesen Status wollte sich der 24-Jährige auch finanziell vergüten lassen und sorgte für eine neue Prämienverteilung unter den Mannschaftsmitgliedern. „Es stimmt, die Spieler haben sich darauf geeinigt, die Prämien nun leistungsbezogen aufzuteilen“, bestätigte Teamchef Patrik Kühnen, der sich bemühte, dabei zu betonen, wie „vollkommen normal“ dieser Vorgang sei.

Tatsache ist jedoch, dass bisher das Gleichheitsprinzip galt. Jeder Spieler erhielt die identische Summe, egal wie oft oder erfolgreich er Matches absolviert hatte. Die Doppelspezialisten, die nur die Chance auf einen Einsatz haben, sollten nicht benachteiligt werden. Bei Heimspielen lag der Betrag je nach Runde und Zuschauerquote bei etwa 15 000 Euro pro Kopf. Für Kohlschreiber, der gegen Südkorea zweimal im Einzel und auch im Doppel erfolgreich war, erhöhte sich die Summe nun um etwa 5000 Euro. Bei den übrigen Spielern sank die Prämie dementsprechend. Für einen Tennisprofi, der in seiner Karriere bisher 1,2 Millionen Euro allein an Preisgeld verdient hat, erscheint der erstrittene Betrag geradezu lächerlich gering, doch für Kohlschreiber geht es vielmehr ums Prinzip: „Ich bin jetzt Führungsspieler. Das bestätigt meine Leistungen der letzten Monate. Das habe ich mir verdient.“

Florian Mayer, Michael Berrer und Philipp Petzschner hatten sich dem Vorstoß gefügt und machten offiziell gute Miene zum bösen Spiel. Die Etablierten Thomas Haas und Nicolas Kiefer fehlten in Braunschweig ebenso wie die arrivierten Doppelspieler Alexander Waske und Michael Kohlmann und konnten so Kohlschreibers Aufbegehren nicht direkt bremsen. Doch in der Mannschaft brodelt es nun gewaltig. Kohlschreiber spiele sich generell zu sehr als Chef auf, heißt es aus dem Umfeld des Teams. Er nehme den Spielern, die nicht so viel Geld verdienen, etwas weg, so der unterschwellige Vorwurf. Es ist nicht das erste Mal, dass Kohlschreiber, der für seine selbstbewussten Äußerungen und markigen Sprüche bekannt ist, für Verärgerung sorgt. Schon vor seinem Aufstieg zum neuen Führungsspieler stieß er mit Aussagen wie „wenn ich dabei bin, gewinnen wir schon“ auf wenig Begeisterung bei seiner Mannschaft.

Die Tendenz zum Abheben hat er, doch der Erfolg gibt Kohlschreiber derzeit Recht. Als Nummer 27 der Welt ist er der beste deutsche Profi. Aber die „personifizierte Ich-AG“, wie er hinter vorgehaltener Hand schon mal genannt wird, hat das von Kühnen so vehement vorangetriebene Wir-Gefühl im Daviscup längst nicht verinnerlicht. Und weil Haas nach seiner dritten Schulter-OP verzweifelt nach seiner alten Form sucht und Kiefer bei Kühnen nach wie vor einen schweren Stand hat, wird sich das Team mit Kohlschreiber arrangieren müssen. „Ich bin auf einem guten Weg, aber ich will noch viel weiter“, sagt Kohlschreiber über seine aktuelle Form. Da war es wieder, das kleine Wörtchen „ich“.

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