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Fingerzeig: Bei Hertha BSC wird schon an die Zukunft gedacht.

© Contrast/Imago

Kolumne „Auslaufen mit Lüdecke“: Herthas Aussichten sind ausgezeichnet – das macht mir Angst!

Eigentlich gäbe es zum Saisonende ja auch ein paar gute Gründe zur Zuversicht bei Hertha BSC. Unser Kolumnist bleibt jedoch Zweckpessimist – aus Erfahrung.

Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt hier jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.

Seit 50 Jahren verfolge ich nun Spiele von Hertha BSC. Das erste, das ich live erleben durfte, war ein Pokal-Achtelfinale gegen Schalke 04. Das war im Juli 1970. Es wurde 4:0 gewonnen. Ich war neun. Und weil ich nicht wusste, dass zur Pause die Seiten gewechselt werden, verstand ich nicht, warum die Mannschaften in der zweiten Halbzeit unbedingt in ihr eigenes Tor treffen wollten.

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Inzwischen sind mir die Regeln und Tücken des Fußballs vertrauter. Ich habe zum Beispiel verstanden, warum man immer etwas mitleidig angeschaut wird, sobald man zu erkennen gibt, man sei Anhänger von Hertha BSC. Die Gründe dafür liegen im sportlichen Bereich, aber auch im organisatorischen. Herthas Außendarstellung verfügte schon immer über ein gewisses Alleinstellungsmerkmal.

Dazu passt die abgelaufene Saison natürlich ganz ausgezeichnet. Wenn ich an den Trainerverschleiß denke, die legendäre Facebook-Ansprache des Jürgen K. oder das fulminante Video unseres sympathischen Außenstürmers. Da gab es einige Wendungen, die auch hartgesottenste Kritiker so nicht für möglich gehalten hatten.

Sportlich war auch vieles schlecht, aber bei weitem nicht alles. Ich suche ja gerne nach positiven Aspekten, was nicht immer ganz leicht ist. Aber in der Corona-Tabelle liegen wir derzeit auf Platz sechs! Vor Leverkusen und Wolfsburg! Punkt- und torgleich mit Gladbach! Das macht doch Hoffnung für die nächste Saison.

Wichtiger Mann: Unser Kolumnist zählt auf die Qualitäten von Dedryck Boyata (links).
Wichtiger Mann: Unser Kolumnist zählt auf die Qualitäten von Dedryck Boyata (links).

© Lars Baron/REUTERS

Vor allem, wenn noch der eine oder andere Spieler kommt und sich Boyata und Cunha nicht verletzten. Man hat gegen Leverkusen gesehen, wozu Hertha fähig ist, wenn diese beiden mitspielen. Was passiert, wenn sie nicht dabei sind, hat man die Spiele zuvor erkennen können.

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Herthas Prognose ist ausgezeichnet. Das macht mir Angst, leider. Es war ja eigentlich immer so: Wenn es Anlass zu Optimismus gab, hat mein Verein immer Mittel und Wege gefunden, diesen ad absurdum zu führen. Deswegen habe ich mir, was Hertha angeht, eine solide zweckpessimistische Haltung zugelegt und bin damit auch immer ganz gut gefahren.

Als 1970 das Pokalspiel abgepfiffen wurde und auf der Anzeigetafel ein 4:0 aufleuchtete, glaubte ich, einer der besten Vereine Deutschlands zugejubelt zu haben. Zwei Wochen später verlor Hertha das Viertelfinale gegen Alemannia Aachen mit 0:1. Pokalsieger wurde Kickers Offenbach.

Frank Lüdecke

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