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Kolumne: So läuft es: Eine Frage des Herzens

Unseren Autoren graust es vor dem Tag, an dem seine Hunde nicht mehr mitlaufen können. Steckt er die Mischlinge dann in den Kinderwagen?

Ich gebe es gerne zu: Ich habe Angst. Fürchterliche Angst. Vor dem Tag, an dem ich eine schwierige Entscheidung zu treffen habe. Wenn der Tag gekommen ist, an dem ich meine über alles geliebten Mischlingshunde Spagna und Dante nicht mehr mit zum Laufen nehmen kann, wird das bisher wichtigste Kapitel meines Lebens zu Ende sein. Denn sie sind es, die mich jeden Tag begleiten. Seit nun fast sechs Jahren, seit ich wieder laufe. Und sie kommen in die Jahre, sie werden dieses Jahr acht. Bereits jetzt verkürze ich ihre Strecke. Und laufe den Rest alleine weiter. Es ist ein Abschied auf Raten. Und bereits dieser tut schrecklich weh.

Seit sechs Jahren sehe ich dieses ältere Ehepaar mit ihrem Pudel. Der ist gefühlt ebenso alt wie sie selbst. Sie sind stets mit ihm gelaufen. Nun kann er es nicht mehr. Deshalb haben sie ihm einen Kinderwagen gekauft. Der Hund schleppt sich ein paar Meter, wankt hin und her, er will weiter. Aber er kann es nicht mehr. Dann setzen sie ihn in den Kinderwagen.

Es zerreißt mir schier das Herz. Wegen des Pudels. Und weil ich weiß: Eines Tages werde auch ich vor einer Entscheidung stehen. Wobei ein Kinderwagen schon allein wegen Dantes Größe einfach keine Option ist. Ferner weiß ich, dass ich in einem Zwiespalt gefangen sein werde. Und abschätzen muss: Wie weit lasse ich meinen Egoismus zu, wann aber quäle ich meine geliebten Freunde, die mir all ihre Liebe und Geduld gegeben haben. Alles was sie hatten.

Quält eure Hunde nicht! Bitte!

Als ich den Pudel, den Kinderwagen und seine Besitzer sah, dachte ich spontan: So läuft es nicht. So nicht. Ich muss den Läufern mit Hund in der nächsten Kolumne sagen: Quält eure Hunde nicht! Bitte! Dann stellte ich das Thema auf Facebook zur Diskussion, die Sache mit dem Kinderwagen.

Sandra schrieb mir: „Was wäre würdevoller? Einschläfern? Ich finde das wunderbar. Nicht jeder muss laufen. Einige können es nicht. Wenn die dann getragen werden, von liebenden Menschen – auch im übertragenen Sinne – was gäbe es Schöneres? Wie viele würden einen Hund, der nicht mehr so gut laufen kann, einfach weggeben, abtun? Sie suchen Wege. Für ihn. Und nehmen ihn mit. Schauen, was er noch kann. Helfen, wo er Hilfe braucht. Ich finde das wunderbar. Bis zu dem Punkt an dem man merkt, der Hund hat keine Freude mehr. Dann sollte man ihn gehen lassen. Es ist verdammt schwer, eine Gratwanderung.“

Meine liebevolle Hundetrainerin Sarah schreibt: „Ich denke, viele Hunde leben so noch mit hoher Qualität weiter. Nicht alle – aber viele!“ Und schließlich schreibt Nici: „Lieber Mike, ich laufe mit meiner 15-jährigen Dame im Croozer als Jogger umfunktioniert. In den Wald, in den Park, damit sie auch weiter an ihre Lieblingsplätzen gehen kann. Ihr Herz ist schwach, aber ansonsten ist sie fit. Was sollte daran falsch sein? Ich gebe ihr ihre bekannte Lebensqualität zurück. Früher sind wir an diese Orte gegangen, jetzt laufe ich für sie dahin. Solange sie sonst ihrem Alter gemäß fit ist, wird sich daran nichts ändern, das bin ich ihr schuldig! Man sollte immer zwei mal hinschauen, bevor man urteilt.“

Ich habe ein zweites Mal hingeschaut. Ich habe noch etwas Zeit bis zu diesem Tag. Ich werde nachdenken. Versprochen. So läuft es.

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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