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Erst gemeinsam laufen, dann alles teilen. Jeder wie er will, findet Mike Kleiß.

© dpa

Kolumne: So läuft es: Lauf-Brother is watching

Läufer gehen nicht unbedingt pfleglich mit ihren Daten um. Sie teilen sie, wo es nur geht. Und das aus völlig unterschiedlichen Gründen.

Die sozialen Netzwerke sind voller Läufer. So voll, dass man sich fragen könnte: Wenn sie alle so sehr mit dem Teilen ihrer Läufe beschäftigt sind, wie finden sie überhaupt noch Zeit zum Laufen? Und wenn sie nicht laufen und darüber posten, dann essen sie und posten das Essen. Bei Facebook, bei Instagram, bei Snapchat. Manchmal denkt man sich: Gut, dass sie all das nicht auch noch in der Zeitung posten können, denn: Sie würden es sicher tun. Und die Zeitung wäre voll.

Datenschützer lassen ihren Kopf vor Entsetzen gefühlt alle ungebremst auf den Tisch fallen. Sie sind fassungslos. Schauen wir mal genau 30 Jahre zurück. 1987 gab es eine große Volkszählung. Deutschland empörte sich, es gab massive Proteste und Demonstrationen. Man befürchtete schon damals den gläsernen Bürger. Ich bin mir sehr sehr sicher: Einige der Protestler oder deren Kinder, sind heute sicher gute Läufer. Und posten ihre Läufe in einem der vielen Netzwerke.

Und direkt danach machen sie ein Foto ihres Chia-Dinkel-Müslis, das sie in einer der vielen Ernährungsgruppen „zur Verfügung“ stellen. Und wissen Sie was? Ich finde, das geht völlig in Ordnung. Wer einen Fitness Tracker benutzen will, um sich zu motivieren, um sich zu überprüfen, der soll das tun. Wer sich und seine Leistungen von anderen feiern lassen will, okay. Warum denn nicht? Wer kein Problem damit hat seine Laufstrecke zu veröffentlichen, so dass auch wirklich jeder weiß, wo der Läufer bei Dunkelheit anzutreffen ist, weil sie oder er jeden Tag verlässlich dort läuft, nur zu. Dass das eine gewisse Gefahr mit sich bringt, ist eine andere Sache.

Es steht niemandem zu, Läufer zu verurteilen

Aber das ist die Entscheidung der Person, die die Daten freigibt. Es steht niemandem zu, über diese Art von Datenschutz zu urteilen. Oder gar Läufer zu verurteilen. Wir alle sind alt genug, um die Risiken selbst einschätzen zu können. Und die Verantwortung über diese Daten, die tragen nur wir. Es ist unsere Freiheit, uns mit anderen Läufern auszutauschen. Uns mitzuteilen, uns und andere zu motivieren. Und diese Freiheit sollte sich jeder Jogger, Walker, Läufer auf gar keinen Fall nehmen lassen.

Selbstverständlich lässt sich aus unseren freiwillig geteilten Daten jede Menge ablesen. Welche Laufschuhe wir tragen, welche Uhr, was wir trinken und essen, wie oft wir laufen, wie unser Körper reagiert, in der Tat werden wir gläsern. Was ist aber mit der netten Dame an der Kasse, die uns regelmäßig fragt: „Haben Sie eine Payback Karte?“ Entweder wir haben noch keine, und lassen uns endlich eine geben. Oder aber wir reichen einen weiteren Datensatz ein. Weil wir ja Punkte sammeln. Und diese Punkte sind mindestens so gläsern wir eine Fitness App.  

Wo ist da der Unterschied? In Wahrheit gibt es keinen. Ein bisschen gläsern gibt es nicht. Wir sind durchsichtig. Und wem das Laufen so noch mehr Freude macht, der soll sich datentechnisch nackig machen dürfen. So läuft es.

Mike Kleiß leitet eine Kommunikations- und Markenagentur in Köln und schreibt hier an jedem Donnerstag übers Laufen.

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