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Vielleicht müssen die Fans des RB Leipzig das Leiden noch lernen.

© Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Kolumne Steilpass Inland: Leipzig muss erst noch leiden lernen

Viel Erfolg, viele Fans - Rasenballsport Leipzig zeigt, dass diese Rechnung aufgeht. Und auch wieder nicht. Weil es im Fußball auf mehr ankommt.

Ralf Rangnick hat mit der TSG Hoffenheim und Rasenballsport Leipzig gleich zwei Projekte aus der Retorte in den großen Fußball gebracht; trotzdem hält er sich für einen Traditionalisten. Als Beleg führt er neben seiner Leidenschaft für den englischen Fußball seine Mitgliedschaft beim FC Schalke 04 an, dem vielleicht traditionellsten aller Traditionsklubs in Deutschland. In Wirklichkeit aber fehlt Rangnick das tiefere Verständnis für das, was Fußballtradition und das Fansein ausmacht.

Vor zwei Jahren – Rasenballsport spielte noch in der Zweiten Liga – hat Rangnick der Fußballwelt prophezeit, dass RB schon in Kürze zu den Klubs gehören werde, „die die meisten Fans zu Auswärtsspielen mitbringen“. Für Rangnick war das nur logisch: Wir arbeiten gut, deshalb werden wir erfolgreich sein, und weil wir erfolgreich sind, werden uns die Fans die Bude einrennen.

Alles andere ist Event

Man kann sich also vorstellen, wie echte Traditionalisten vor ein paar Wochen auf die Nachricht reagiert haben, dass die Leipziger den geplanten Sonderzug zum Auswärtsspiel in Gelsenkirchen mangels Interesse stornieren mussten und der FC Schalke 04 einige Gästeblöcke nachträglich für die eigenen Fans öffnen konnte. Der Verweis, dass es ein Sonntagsspiel sei und Gelsenkirchen eben nicht um die Ecke liege, hat es nicht besser gemacht. Als ob man diese Klage von Gladbachern, Kölnern oder Bremern je gehört hätte.

Die Leipziger spielen offensiv, sie sind erfolgreich, aber das reicht eben nicht. Erfolg mag ein gutes Lockmittel sein, echte Leidenschaft verlangt nach mehr – sonst dürfte der Hamburger SV schon lange nicht mehr zu den Klubs mit der größten Anhängerschaft in Deutschland zählen.

In Leidenschaft steckt Leiden. Und leiden heißt eben, sich am Sonntagmorgen um sechs mit zunehmend übler riechenden Menschen in einen eigentlich schon ausrangierten Waggon der Deutschen Bahn zu quetschen, um seine Mannschaft zwölf Stunden später in Freiburg verlieren zu sehen. Alles andere ist Event.

Die Anhänger von Rasenballsport Leipzig haben nie gelernt zu leiden. Sie hatten es bisher nicht nötig. Vielleicht kommt das noch. Ich gönne es ihnen von Herzen.

Die Kolumne Steilpass erscheint im Tagesspiegel Print immer freitags auf der Seite 11Freunde Freitag.

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