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Kein Team: Claudia Pechstein (r.) und Stephanie Beckert.

© dpa

Kommentar: Claudia Pechstein: Das Team bin ich

Eisschnellläuferin Claudia Pechstein hat ihrer Teamkollegin Stephanie Beckert "Arbeitsverweigerung" vorgeworfen. Benedikt Voigt glaubt, dass dieser Wutausbruch einiges über Pechstein und ihre Sportart aussagt.

Man stelle sich vor: Der Augsburger Stürmer Sascha Mölders rennt am Freitag wutentbrannt vom Platz, denn sein Torhüter Mohamed Ansif hat gegen Nürnberg beim entscheidenden Gegentreffer zum 1:2-Endstand eine ganz schlechte Figur abgegeben. Seinem Ärger lässt er vor dem ersten Mikrofon freien Lauf: „Arbeitsverweigerung“, schimpft Mölders über die Leistung seines Teamkollegen. Am nächsten Tag legt er auf Facebook sogar noch einmal nach: „Da ist eine öffentliche Entschuldigung fällig. Ich will in einem Team spielen, wo Erfolg, Ruhm und Ehre der wichtigste Aspekt sind und nicht das Einstecken von Antrittsprämien.“ Unvorstellbar?

Nicht so im Eisschnelllaufen.

Nach dem letzten Platz beim Weltcupfinale im Teamsprint hat die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein auf exakt diese Weise und mit exakt diesen Worten ihre Teamkollegin Stephanie Beckert angegriffen. Der öffentliche Wutausbruch sagt wahrscheinlich einiges über den Charakter von Claudia Pechstein, die auch beim berühmten Zickenstreit vor den Winterspielen 2002 eine von zwei Protagonistinnen war. Der Wutausbruch sagt aber auch einiges über ihre Sportart.

Eisschnelllaufen ist einfach eine Einzelsportart, in einer professionell betriebenen Mannschaftsdisziplin würde es keiner wagen, einen Teamkollegen derart öffentlich und nachhaltig für eine schlechte Leistung anzugreifen und eine öffentliche Entschuldigung zu verlangen. Es sei denn, der- oder diejenige will sich eine neue Mannschaft beziehungsweise einen neuen Verein suchen.

Eisschnelllaufen wird zwar auch in Trainingsgruppen betrieben, doch spätestens im Wettbewerb kämpft jeder für sich auf dem Eis gegen eine Gegnerin und vor allem gegen die Zeit. Claudia Pechstein kann das besonders gut, das hat sie in ihrer langen Karriere immer und immer wieder bewiesen. Seit 2006 aber können sich die einzelnen Läufer bei den Olympischen Winterspielen zu einem Team zusammenschließen und Medaillen gewinnen. Eine Mannschaft aber ist das noch lange nicht, das hat Claudia Pechstein gerade wieder gezeigt. Es ist nicht mehr als eine Zweckgemeinschaft.

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