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Kommentar: Grenzen gelten für beiden Seiten

Auch Fußball-Zuschauer müssen sich benehmen. Frank Bachner sieht Paolo Guerrero nicht als allein Schuldigen.

Als Pierre Littbarski noch Trainer in der Zweiten Bundesliga war, da beschimpfte ihn mal ein gegnerischer Zuschauer so heftig wie ein Bierkutscher einen Konkurrenten. Und Littbarski? Der lächelte den Pöbler an und sagte smart: „Ruhe, Herr Direktor.“

Vorbildlich, der Mann. Souverän, deeskalierend. Paolo Guerrero löste das Problem ein bisschen handfester: Ziel angepeilt, Ziel erfasst, Trinkflasche geworfen. Treffer. Natürlich geht das nicht, natürlich muss der HSV-Profi bestraft werden. Einerseits aus Prinzip, andererseits hat er ja auch Vorbildcharakter.

Die Frage ist nur: Welche Strafe ist angemessen? Und da wird das Problem ein bisschen komplizierter. Ein Bundesligaspiel ist kein rechtsfreier Raum für Zuschauer. Kein Fan hat das Recht, seine persönliche Enttäuschung ungefiltert auf einen Fußballprofi zu übertragen. Und was den Vorbildcharakter betrifft: Der gilt auch für Zuschauer. Was sollen Kinder denken, wenn sie Erwachsene sehen, die völlig ausrasten, nur weil ein Spiel anders ausging als erhofft? Auch ein Profi steht mental unter Hochspannung, dass er im Extremfall ausrastet, ist inakzeptabel, aber nicht völlig unverständlich. Grenzen müssen schon beide Seiten einhalten.

Überhaupt, es ist manchmal ja gar nicht so einfach, einen Promi anzuklagen, der sich gegen Pöbeleien handfest wehrt. Es gab unzählige Menschen, die fanden es gut und berechtigt, dass ein massiger Mann auf einem Platz in Halle an der Saale auf einen jungen Typen losstürmte, der ihn mit Eiern beworfen hatte. Der Promi hieß Helmut Kohl. Als er rannte, war er Bundeskanzler.

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