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Kommentar: Laufen lassen

Stefan Hermanns über internationale Härte und eine berechtigte Klage von Bundestrainer Joachim Löw.

Seit Jahren gehört es im deutschen Fußball zum guten Jammerton, den deutschen Schiedsrichtern ein fehlendes Gespür für internationale Härte vorzuhalten. Der Vorwurf ist schwer zu widerlegen. Man muss sich nur einmal ein Champions-League-Spiel anschauen, das von einem deutschen Schiedsrichter geleitet wird, und mitzählen, wie oft man im Geiste zu sich sagt: In der Bundesliga hätte der längst abgepfiffen. Wie aber passt es dazu, dass Bundestrainer Joachim Löw nun Klage erhebt wider die zunehmende Härte in der Bundesliga und sie für eine erschreckend hohe Zahl an Verletzten verantwortlich macht? Bestens.

Löws Klage richtet sich nämlich nicht gegen die Schiedsrichter, die zu viel laufen lassen; sie richtet sich gegen die Spieler, die zu wenig laufen lassen. In Deutschland, das hat der Bundestrainer sehr richtig beobachtet, haben die Verteidiger in erster Linie den Auftrag, den Angriff des Gegners mit allen Mitteln zu stoppen, notfalls auch mit illegalen. Auf diese Weise lebt bis heute das Erbe der guten alten Ausputzerschule fort. Im modernen Fußball aber ist die Unterbindung des gegnerischen Angriffs schon lange kein Selbstzweck mehr; sie ergibt nur dann einen tieferen Sinn, wenn aus ihr der direkte Gegenangriff entsteht.

Die Sorge um die Gesundheit der Nationalspieler mag Löw zu seiner Intervention veranlasst haben. Dahinter aber steckt viel mehr: die Sorge, dass seine Idee vom Fußball, vom schnellen, direkten und intensiven Spiel, die Bundesliga noch längst nicht durchdrungen hat. Aber zumindest können wir uns jetzt schon den Detailfragen zuwenden.

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