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Kommentar: Mann ohne Wirkung

Ist das die richtige Entscheidung? Stefan Hermanns über die Entlassung von Trainer Lucien Favre.

In der Geschichte der Fußball-Bundesliga hat es schon sehr viel nichtigere Anlässe für einen Trainerwechsel gegeben als die Serie von sechs Niederlagen, die Hertha BSC gerade unter Lucien Favre aufgestellt hat. Insofern ist es auf den ersten Blick wenig überraschend, dass die Berliner den Schweizer gestern entlassen haben. Überraschender war vielmehr, dass der Verein sich so lange Zeit genommen hat – so lange, bis die Situation für den Tabellenletzten der Bundesliga richtig verfahren war. Natürlich hat das auch mit Dankbarkeit für Favre und für die vielen schönen Momente in der vorigen Saison zu tun. Aber nicht nur.

Dass Michael Preetz, Herthas Manager im ersten Praxissemester, Favre noch am Sonntag, nach dem 1:5 in Hoffenheim, das Vertrauen ausgesprochen hat, war jedenfalls nicht zwingend eine Lüge. Das hatte auch etwas Autosuggestives. Preetz wollte einfach, dass es gut geht mit Favre, dass es weitergeht mit ihm, weil er den Trainer aus der Schweiz als kompetenten Fachmann schätzt, als Mann mit Wirkung.

Aber auch, weil sich Herthas Manager Favres Scheitern eigentlich nicht leisten konnte.

Michael Preetz ist neu im Geschäft, er wurde auserkoren, Dieter Hoeneß zu ersetzen, diesen Machtmenschen, der Hertha mehr als ein Jahrzehnt geprägt hat. Preetz tickt anders, aber wenn er bei Hertha an Hoeneß’ großem Erbe scheitert, war seine erste Chance als Manager zugleich seine letzte. Dann heißt es: Der kann es nicht, der wird immer Lehrling bleiben. Daher ist es nicht ohne Ironie, dass Preetz nun um der eigenen Stellung willen jenen Mann opfern musste, der ihm durch seinen Sieg im Machtkampf mit Hoeneß vorzeitig den Weg an die Spitze geebnet hat.

Gerade angesichts dieser gemeinsamen Vergangenheit spricht es für Preetz, dass er eine kühle Entscheidung getroffen hat. Die Frage, ob sie die richtige ist, lässt sich schon bald beantworten. Spätestens in sieben Monaten. Denn Favre zu entlassen ist mindestens genauso riskant, wie es die Entscheidung gewesen wäre, mit ihm weiterzumachen. Wer immer sein Nachfolger wird – zunächst einmal Karsten Heine als Interimstrainer –, muss nicht nur mit einer höchst verunsicherten Mannschaft zurechtkommen; er muss auch bis zum Ende der Hinrunde mit einer Belegschaft arbeiten, die von Favre hauptverantwortlich zusammengestellt worden ist.

Wenn man böse wäre, könnte man sagen: Eigentlich hätte Favre schon deshalb bei Hertha bleiben müssen, weil dieser Kader keinem anderen Trainer zuzumuten ist. Er trägt die Handschrift des Schweizers, der junge, formbare und polyvalente Spieler wollte. Im Moment aber bedeutet jung unerfahren, formbar heißt unfertig, und polyvalent, dass die Spieler so vielseitig sind, dass sie nichts richtig gut können. Ob es nun automatisch besser wird, nur weil künftig jemand anderes an der Seitenlinie steht als Favre? Automatisch sicher nicht.

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