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Kommentar: Schiedsrichter sind fehlbar

Wo ausgleichende Ungerechtigkeit waltet: Stefan Hermanns über den Grundlagenvertrag auf dem Fußballplatz.

Manuel Gräfe, der Schiedsrichter aus Berlin, hat am Wochenende alles richtig gemacht. Gräfe ließ im Spiel Leverkusen gegen Schalke ausgleichende Ungerechtigkeit walten, als er Kevin Kuranyis Tor trotz eindeutiger Abseitsstellung anerkannte – so wie er es zuvor auch beim Leverkusener Führungstreffer durch Patrick Helmes getan hatte. War ja deutlich zu sehen im Fernsehen: Nachdem das Bild angehalten war und die Regie eine virtuelle Linie auf den Rasen gelegt hatte, war Helmes’ Fußspitze einen Tick vor der seines Schalker Gegenspielers. Klares Abseits!

Für Szenen wie diese, die mit dem menschlichen Auge allein nicht zu entziffern sind, ist vor Urzeiten einmal die Regelauslegung „Im Zweifel für den Angreifer“ erfunden worden; inzwischen müssen sich die Schiedsrichter für solche Entscheidungen allwöchentlich vor einem Tribunal verantworten. Auch deshalb ist der Eindruck entstanden, dass ihre Leistungen immer schlechter werden. Der Eindruck täuscht: Die Schiedsrichter werden nur immer besser kontrolliert.

Solange die Schiedsrichter nicht über dieselben Kontrollmechanismen verfügen wie ihre Kontrolleure, wird man mit ihren menschlichen Mängeln leben müssen. Das ist alles andere als befriedigend, aber ohne diese Einsicht funktioniert das Zusammenspiel auf dem Platz nicht. Es handelt sich um eine Art Grundlagenvertrag: Die Spieler akzeptieren, wenn auch schweren Herzens, die Fehlbarkeit der Schiedsrichter. In diesen Tagen ist offenkundig, dass die Bindung dieses Vertrages nachlässt: dass Spieler und auch Trainer die Schiedsrichter offen attackieren, dass die Schiedsrichter wiederum mit arrogantem und autoritärem Gehabe ihre Position der Stärke zu demonstrieren versuchen. Ihrer Sache helfen sie damit nicht.

Dass die Kritik an den Schiedsrichtern anschwillt, ist ein zyklisch auftretendes Phänomen. Heute wird sich ein Runder Tisch mit diesem Thema beschäftigen. Es geht nicht um einen großen Wurf, es geht darum, einen modus vivendi zu finden, den alten Grundlagenvertrag wieder in Kraft zu setzen. Seit dem letzten Runden Tisch hat die freiwillige Selbstverpflichtung einigermaßen funktioniert. Fünf Jahre sind seitdem vergangen. So lange wird es der nächste Runden Tisch vermutlich nicht auf sich warten lassen.

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